Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 233

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gesenkt hat, gemeint – und dem haben auch die Grünen, wie ich jetzt im Nachhinein meine, nicht so wohlüberlegt, zugestimmt, weil es uns irgendwie plausibel erschien –, dass man auch im Zivilrecht den jungen Menschen diese Volljährigkeit und damit auch die volle Geschäftsfähigkeit schon ab 18 zusprechen will. Das hatte auch sofort Auswirkungen auf das Strafrecht, weil es damit auch im Strafrecht maßgebliche Veränderungen gegeben hat.

Es gab eine ernsthafte Diskussion hier im Nationalrat. Es war eine lange Diskussion, es hat dazu eine Expertenanhörung in der Strafrechts-Enquete-Kommission stattgefunden, es hat ausgedehnte Beratungen im Justizausschuss gegeben, weil es eine ernsthafte Sache ist, ob Jugendliche schon ab 18 oder erst ab 19 Jahren voll zur Verantwortung gezogen werden sollen für Straftaten, die sie begehen. Eine ernsthafte Diskussion!

Ich erzähle das jetzt deshalb so genau, weil wir heute eine von den Auswirkungen für Jugendliche mindestens so dramatische und vom Ausmaß her eine ähnlich hohe Zahl von Jugendlichen betreffende Änderung des Strafrechtes vornehmen werden. Wir, das heißt nicht wir hier auf der linken Seite von mir aus betrachtet, sondern (Abg. Jung: Sondern wir hier!) rechts und rechts außen von mir aus betrachtet. Aber dies geschieht ohne Diskussion in der Strafrechts-Enquete-Kommission, ohne Diskussion im Ausschuss, ohne Beiziehung von Experten, ohne auch nur eine schriftliche, wenn auch noch so verkürzte Anhörung von Experten. (Abg. Jung: Schriftliche Anhörung? – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Das ist der Punkt, der mir das wesentlichste Anliegen ist, und deshalb verbreite ich mich hier auch so speziell. Ich meine, dass es Verantwortung des Nationalrates ist, immer, wenn es um das Strafrecht geht, immer wenn es darum geht, das Strafrecht auszuweiten, sorgsam vorzugehen, sorgsam in dem Sinne, dass man die Diskussion so lange führt, bis man zu einem Ergebnis kommt, das für viele – ich gehe nicht davon aus, dass es immer alle sein müssen – tragbar ist.

Nichts davon ist in diesem Zusammenhang passiert! Es wurde tagelang von Jugendschutz geredet, von Reife geredet, von angeblichem Mangel an Reife geredet, von Strafmündigkeit geredet, davon geredet, ob jemand Recht und Unrecht unterscheiden kann oder nicht – alles von Laien, alles von Leuten, deren Qualifikation jene ist, dass sie auch einmal Jugendliche waren: Herr Klubobmann Khol, Frau Dr. Fekter, Frau Terezija Stoisits, Herr Posch, Herr Schieder, wer auch immer. Das ist meine Qualifikation, wenn es darum geht, zu beurteilen, was mangelnde Reife eines Jugendlichen ist. Eine ähnliche Qualifikation, nämlich nur jene, einmal jugendlich gewesen zu sein, haben jene, die künftighin über das Schicksal von jungen Menschen, aber nicht nur von jungen, sondern auch von erwachsenen, die hier involviert sind, entscheiden werden, wenn es um die angebliche mangelnde Reife geht.

Das ist der Punkt, der in dieser Diskussion so hervorzuheben ist: dass hier der Justiz eine Kompetenz zugemutet wird, die sie einfach nicht haben kann, jenseits von allem Expertenwissen. Das ist der Punkt, der hier der wesentliche ist und der mir der wesentliche ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie wissen, es war nicht ich allein, die das geäußert hat, sondern es waren viele Grüne, die gesagt haben: Reden wir über Jugendschutz, reden wir über Mängel, die es beim vermeintlichen oder auch wirklichen Schutz Jugendlicher in Österreich gibt! Niemand hätte sich dieser Diskussion verschlossen. Aber nein! Hier gilt der Grundsatz, dass Geschwindigkeit tötet – im wahrsten Sinne des Wortes oder im übertragenen Sinne. Schon wieder wird getötet, nämlich abgetötet. Abgetötet wird jede demokratische, sinnvolle Diskussion, in die auch die Meinung von Experten, die wirklich etwas davon verstehen, mit eingeschlossen wird.

Darum ist das Motto "speed kills" in diesem Fall tatsächlich etwas, was tötet, aber nicht grüne Laien oder sozialdemokratische Laien sind es, die auf diesem Gebiet bestimmen, sondern Jugendpsychiater, der gesamte Bereich des Jugendamtes in allen Ländern, jene, deren Beruf es ist, deren Profession es ist, das zu beurteilen, sagen: Bitte lasst uns mitreden! Doch genau das verweigern Sie. – Das ist die Seite der Medaille, die mir wichtig ist.


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