Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 55

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Ich möchte nun über die Rolle der Universität reden und darüber, ob diese Reformen wirklich einer Verwirklichung von Zielen dienen, denen wir uns anschließen könnten. Ich möchte auch über die Stärken und Schwächen des Systems reden, genauso aber über Irrtümer und zentrale Kritikpunkte.

Beginnen möchte ich mit einem Zitat; das ist eine kleine Denksportaufgabe für Regierungsmitglieder. (Oje-Rufe bei der SPÖ.) Na ja, die Chance besteht! – Ich zitiere:

"Die geplante Organisationsform bedeutet eine weitgehende Zurückdrängung universitärer Autonomie und gewachsener, bewährter Selbstverwaltungsstrukturen, die mit der Frage der Identität und des Selbstbewusstseins der Universität, mit demokratischer Meinungsfindung, mit Subsidiarität und akademischer Freiheit zusammenhängen. Geplant ist eine Art wissenschaftliche Fabrik, deren Produktionsbedingungen und Produkte im Sinne wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit und im Sinne der Bedarfsträger aus der Wirtschaft verbessert werden sollen." – Zitatende.

Ich räume Ihnen jetzt nicht viel Zeit zum Nachdenken ein und werde das Rätsel lösen: Das ist die Stellungnahme der Tiroler Landesregierung bezüglich Wünsche nach egalitären Strukturen, Wünsche nach Freiheit, Wünsche nach weniger absoluten Mehrheiten. Sie ist sicher nicht ein Kronzeuge von uns, aber das sollte Ihnen zu denken geben.

Ich glaube – und das ist wichtig für die Besucher auf der Galerie –, dass die Universitäten eine ungeheure Bedeutung haben, denn sie prägen Zehntausende junger Menschen jährlich in ihrer Sicht über die Welt, über Berufe, über Orientierungsmöglichkeiten. Sie sind mehr als nur Orte, wo man Wissen sammelt. Sie sollten Orte sein, wo man aus Wissen so etwas wie Verstehen und Begreifen macht, was die Handlungsspielräume und die Chancen junger Menschen erhöht und was auch Österreich als Republik nutzt, weil Wissen zunehmend eine der wichtigsten Ressourcen, und zwar nicht nur von Kleinstaaten, wird.

Das heißt: Auch der volkswirtschaftliche Wohlstand wird durch Universitäten, durch ihr Wissen, ihre Forschung und ihre Lehre vermehrt. Aber Universitäten dürfen sich nicht, wie ich meine, darauf reduzieren, nur unter dem Gesichtspunkt der Ökonomie, des Bruttoinlandsproduktes und des Wirtschaftswachstums gesehen zu werden, sondern es darf durchaus etwas mehr sein. Die Welt kritischer zu betrachten und sich in einer immer komplexer werdenden Welt zu orientieren und dadurch wehrhafter zu werden, weniger verführbar zu sein, scheint mir ein ganz wichtiger Punkt zu sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn ich jetzt sozusagen das lebenslange Lernen anschneide, dann komme ich auch auf eine andere Bedeutung der Universität zu sprechen, und ich kratze jetzt keine Kurve, aber ich nenne doch die Diskussion über "Tyrannei und Befreiung". Die Leute, die darüber den Diskurs führen, können nun sehen, welche Bedeutung lebenslanges Lernen hätte. Bei der Debatte über Forschung und Entwicklung heute Nachmittag könnten diese Äußerungen durchaus Thema sein, denn sie sind auch Gegenstand der Forschung. Dass sie Gegenstand einer Entwicklung sind, das wage ich allerdings bei diesem Herrn zu bezweifeln. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das heißt, Universitäten sollten, ganz grob gesprochen, auch dazu dienen, die Probleme der Menschen zu lösen und zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft beizutragen. Da darf es natürlich unterschiedliche Meinungen geben, aber Meinungen müssen argumentierbar sein.

Meine Damen und Herren! Was mich bei diesem Gesetz massiv irritiert, ist der Umstand, dass im Sektor der Wissenschaft absolute Mehrheiten von Kleingruppen die Macht von Argumenten schlichtweg niederbügeln. Wenn bestimmte Herren und Damen, die am Einfluss ihrer Macht und ihrer Hierarchie festhalten, glauben, sie könnten im Kampf um bessere Argumente und um pfiffigere Ideen und um kreativere Gedanken nicht gewinnen, wenn sie keine Mehrheit haben, dann muss ich sagen: Das ist einer Debatte über eine Universitätsreform einfach unwürdig und ein völlig falsches Instrument, das hier schlichtweg nichts zu suchen hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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