Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 168

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alle politisch nicht mehr tätig. Ebenso die Damen, die in der letzten Periode Volksanwälte waren. Das ist eine Frage, die in der Verfassung nicht vorgesehen ist.

Meine Damen und Herren! Damit komme ich zu einem Schluss. Herr Kollege Van der Bellen! In Ihrer ursprünglichen Anfrage an den Bundeskanzler ist ja gefragt worden, ob wir die Verfassung nicht ändern sollten. Ich halte es hier mit dem Bundeskanzler, und ich habe auch mit Kollegen aus anderen Fraktionen, die ich sehr respektiere, darüber geredet: Wir sollten keine Anlassgesetzgebung machen.

Wenn wir aber das nächste Mal die Volksanwälte zu wählen haben, dann sollten sich alle vier Parteien zusammensetzen und überlegen, ob wir nicht das, was für den Rechnungshofpräsidenten in unserer Bundesverfassung vorgesehen ist, nämlich rechtliche Verantwortung vor dem Verfassungsgerichtshof und politische Verantwortung im Nationalrat, für die Zukunft in Bezug auf die Volksanwälte auf das gleiche Niveau heben sollten. (Abg. Ing. Westenthaler: Den Nationalratspräsidenten auch gleich dazu!) Ich denke, dass wir das überlegen sollten. Ich meine aber nicht, dass wir undifferenziert mit Totalverurteilungen operieren sollten, denn die Wahrheit hat oft Schattierungen.

Ich denke, dass auch Volksanwalt Ewald Stadler die Chance haben muss, einen Fehler, den er vielleicht begangen hat, zu korrigieren und Dinge klarzustellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Er hat sie andauernd!)

18.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

18.10

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, eine gewisse Enttäuschung kann ich nicht verhehlen. Sie haben zur so genannten Causa Stadler schon deutlichere Worte gefunden. Heute haben Sie im Grunde genommen überhaupt keine gefunden.

Ich habe Ihren Ausführungen mit großem Interesse gelauscht. Diesem historischen Diskurs würde ich über weite Strecken zustimmen. Ich möchte jetzt gar nicht auf Details eingehen. Wir wissen aber natürlich alle ganz genau, dass wir heute nicht zusammengekommen sind, um eine generelle Geschichte der Zweiten Republik und dessen, was davor war, zu behandeln und zu erörtern, sondern dass wir hierher gekommen sind, um die Aussagen von Ewald Stadler zu erörtern, der ein maßgeblicher politischer – ich will nicht sagen "Funktionär", aber ein Volksanwalt ist nicht irgendetwas; er steht protokollarisch noch vor oder knapp hinter den Staatssekretären – Vertreter ist. Jedenfalls ist er praktisch wie ein Regierungsmitglied anzusehen.

Insofern haben wir es hier nicht mit den Äußerungen einer Privatperson zu tun, sondern mit denen eines sehr hohen politischen "Vertreters", wenn Sie wollen, eines Volksanwaltes der Republik Österreich.

Herr Bundeskanzler! Das Wort "Mag. Stadler" haben Sie meiner Erinnerung nach nicht ein einziges Mal in den Mund genommen. Sie haben eine interessante Rede gehalten, aber zum eigentlichen Thema haben Sie praktisch nichts gesagt. Da hat ja Kollege Khol noch mehr dazu gesagt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Bei allem Respekt, Herr Bundeskanzler: Ich frage mich, ob Sie wirklich finden, dass angesichts der Äußerungen von Volksanwalt Stadler das Schweigen dazu ein Wahrnehmen politischer Verantwortung ist. So schwierig es manchmal scheint, sich zu Mitgliedern der Freiheitlichen Partei zu äußern – ich kann schon verstehen, dass Ihnen das hin und wieder auf die Nerven geht –, es muss manchmal sein, vor allem der Bundeskanzler muss das manchmal tun.

Herr Bundeskanzler! Seit dem 2. Juli sind diese Äußerungen bis zum Erbrechen wiederholt worden. (Abg. Dr. Ofner: Von euch, ja!) Es kann doch nicht sein, dass sie Ihnen entgangen sind. Es wurde nämlich gesagt, dass Österreich 1945 angeblich vom Faschismus und der


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