Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 175

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"Das Jahr 1955 war das Jahr des Staatsvertrages. Zehn Jahre nach Kriegsende war das ,befreite’" – er setzt es unter Anführungszeichen – "Österreich auch wirklich frei." – Olah, nicht irgendwer. Jeder weiß, welch bedeutender Repräsentant der Nachkriegszeit er gewesen ist.

Koref, auch von Ihrer Seite, Bürgermeister von Linz, Jahre oder Jahrzehnte lang Angehöriger dieses Hauses. Er sagte unter anderem in der selben Sitzung über den Staatsvertrag:

"Vor 17 Jahren, Hohes Haus, haben wir die Freiheit verloren." – Er rechnet auch zurück von 1955 bis 1938. Und weiters: "Der Weg hat in die Irre geführt. Seit jener Zeit hat uns eine Pechsträhne verfolgt, eine Unglücksserie in Krieg und Leid ... geführt. ... Nie wieder Verlust unserer Freiheit! ... Vor zwölf Jahren hat man uns in der Moskauer Deklaration feierlich versprochen, Österreich als einen freien, unabhängigen und demokratischen Staat wiederherzustellen. Nun sind wir so weit, und wir danken dem Schicksal, daß wir diesen Tag erleben dürfen."

Niemandem fällt es ein, den Nationalsozialismus in seinen Dimensionen mit dem Besatzungsregime in Österreich zu vergleichen. Aber ich erinnere schon an das Schwarzbuch, das ehemalige französische Kommunisten herausgegeben haben. In diesem Schwarzbuch rechnen sie penibel nach, dass die Sowjetunion in ihren eigenen Reihen – also nicht woanders, sondern nur in ihrem eigenen Bereich – von 1917 bis in die Gegenwart 100 Millionen Tote gekostet hat. Das ist ja auch nicht gerade eine Kleinigkeit.

Das Meer von Blut und Tränen, das die Rote Armee in Österreich erzeugt und hinter sich gelassen hat, hat nicht nur Niederösterreich umfasst, nicht nur das Burgenland und Wien, sondern auch die Steiermark bis Judenburg, darf ich in Erinnerung rufen, und Oberösterreich vom Norden über das Mühlviertel bis zur Donau. Es waren das auch nicht Menschenrechtsverletzungen individueller Art. Ich erinnere an die oft kolportierte Aussage des Ilja Ehrenburg, Staatsdichter der Sowjetunion, in Millionen Flugblättern an die vorrückende Rote Armee verteilt, beginnend mit den Worten:

Töte! Töte! Töte!

Und weiter ist es gegangen: Rotarmist, raube, morde und plündere! Brich den Hochmut der germanischen Frauen! Die deutsche Frau ist deine Beute. – Zitatende.

Das sind keine individuellen Menschenrechtsverletzungen. Das ist ein fürchterliches Ereignis.

Wenn Renner am 27. April 1945 sicher besten Glaubens optimistisch war, dass jetzt mit der Überwindung des Nationalsozialismus, mit dem Ende des Kriegs das Fürchterliche vorbei sei, dann ist er in diesem Zusammenhang wie viele, wie alle Österreicher auch bitter enttäuscht worden.

Es ist schon erwähnt worden: 200 000 vergewaltigte Frauen allein zusammen in Wien und Niederösterreich, das waren die offiziellen Zahlen, viele davon kompanieweise, das Alter war egal, Kinder und Großmütter.

Interessant ist, wenn man sich dazu die Reaktionen von heute anschaut. Der eine oder andere von uns kommt zeitig genug nach Hause, um sich auf deutschen Sendern diese Rückblicke anzuschauen, "Spiegel-TV" oder Ähnliches. Dort hat es jetzt auch eine Sendeserie gegeben: "Die Opfer Hitlers". Nach der waren die letzten Opfer Hitlers die Vertriebenen. Es ist auch dazu gekommen, dass man sich mit den Vergewaltigungen befasst hat. In diesen Sendungen sind immer Veteranen im "Konfirmandengwandl" zu Gehör gebracht worden, mit Dolmetsch, darunter auch ein adrett gekleideter ehemaliger Offizier der Roten Armee, von Privatberuf interessanterweise Staatsanwalt. Der hat zu den Vergewaltigungen gesagt – ich zitiere –:

Mein Gott, Vergewaltigung ist an und für sich kein fürchterliches Verbrechen, das ist nicht so schlimm. An einer Vergewaltigung ist noch niemand gestorben. Daher war es auch gar nicht notwendig, dass man einschreitet, wenn man zu so einer Sache dazukommt. – Zitatende.


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