Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 176

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Heute muss man dem begegnen. Da kann man nicht davon sprechen, dass es Menschenrechtsverletzungen individueller Art waren.

Nur damit Sie mich richtig verstehen: Man muss auseinander halten: Die politische Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus hat 1945 stattgefunden, die staatspolitische 1955, denn davor sind alle Dinge, die in diesem Raum beschlossen worden sind, ist das Papierl, auf dem diese Beschlüsse standen, genommen und in die Kommandantur hinübergetragen worden, und dort ist dann ja oder nein dazu gesagt worden. Aber die menschliche Befreiung hat in einer bitteren Enttäuschung geendet.

Dass man einer Person, deren Kinder vergewaltigt wurden, deren Mann erschossen wurde oder Ähnliches mehr, nur weil sich eine wütende Horde in Millionenstärke über das Land gewälzt hat und zehn Jahre lang nicht fortgegangen ist, zumutet, zu sagen: Aber die Befreiung siedle ich woanders an!, das ist wirklich nicht zu akzeptieren. Die Befreiung der Menschen war erst 1955, und sie haben das auch entsprechend erkannt!

Machen Sie sich noch die Mühe, und lesen Sie die Zeitungen von damals durch, von der "Presse" bis zur "Arbeiter-Zeitung"! Sie datieren alle die Befreiung mit dem 15. Mai 1955 und freuen sich auch darauf, wenn der letzte Soldat das Land verlassen haben wird. Das war ja erst am 26. Oktober 1955 der Fall.

So hat die Diskussion begonnen. Sie haben erkannt, dass Sie diese Linie nicht halten können, und Sie versuchen jetzt andere Probleme vorzuschieben, die überhaupt nichts mit dem Anlassfall zu tun haben. (Heftiger Widerspruch und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Sie wollen beizeiten verhindern, dass Stadler Spitzenkandidat in Niederösterreich werden kann, und die Grünen wollten schon immer in die Volksanwaltschaft, die wollen einen vierten Volksanwalt, und das ist auch ein Anlasspunkt, denn das ist es, was Stadler gar so unbequem macht. Als Nächstes werdet ihr die Forderung aufstellen: Wir haben schon immer hineingewollt, und jetzt haben wir auch den moralischen Anspruch, wirklich hineinzukommen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Martin Graf: Manchmal ist es schade, dass die "Arbeiter-Zeitung" schon eingegangen ist!)

18.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

18.43

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Cap, was Sie vorhin wieder geliefert haben, das war wirklich eine unwürdige parteipolitische Polemik, die zwar Ihnen gerecht wird, aber nicht der großen Tradition der Sozialdemokratischen Partei. Das möchte ich zu diesem Anlass auch einmal klar sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieser Anlass hätte eine würdigere Rede verdient, meine Damen und Herren von der SPÖ, und Sie sollten auch besser zuhören, denn offensichtlich haben Sie nicht zugehört, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat, was Herr Klubobmann Khol gesagt hat. Wir haben unmissverständlich ausgedrückt, dass wir von der Volkspartei zu Recht erwarten und dass wir auch nie einen Zweifel daran gelassen haben, dass sich alle hohen Verantwortungsträger dieses Staates – und dazu gehört selbstverständlich auch der Volksanwalt – diesem Grundkonsens der Zweiten Republik anzuschließen haben, dass Österreich am 8. Mai 1945 vom Nationalsozialismus befreit wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Grundkonsens, meine Damen und Herren, muss auch in Zukunft gelten und unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Und wer dazu nicht bereit ist, läuft Gefahr, sich selbst außerhalb dieses staatspolitischen Grundkonsenses zu stellen, und das halten wir für schädlich für den Betreffenden, aber auch schädlich für das Ansehen der Institution, die er vertritt, ebenso schädlich für das Ansehen der Republik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


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