Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 27

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Wir werden auch die Kontrolle ernst nehmen – das sage ich hier sehr offen –, denn es kann nicht so sein, dass sich manche bei fünf Töpfen bedienen, ein anderer hingegen, weil er sozusagen die Wege im Behördendschungel nicht kennt, zu kurz kommt. Eine Abwicklungsstelle ist mit den Ländern abgesprochen, genaue Kontrolle, damit von Anfang an klargestellt ist: Sowohl das Geld der Spender als auch das der öffentlichen Hand kommt zu jenen, die diese Hilfe auch wirklich benötigen – und das halte ich für absolut sinnvoll und richtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben gestern einen mitteleuropäischen Gipfel – ich nenne ihn jetzt einmal so – abgehalten. In Berlin sind die Regierungschefs jener vier Länder, die vom Hochwasser besonders betroffen gewesen sind, zusammengekommen: Gerhard Schröder, sein Außenminister Joschka Fischer, Benita Ferrero-Waldner und ich als Vertreter der betroffenen Mitgliedsländer der Europäischen Union, aber auch die der demnächst neuen Mitglieder, nämlich Tschechiens und der Slowakei.

Zum ersten Mal fand auch ein Treffen mit dem tschechischen Regierungschef Vladimír Špidla sowie mit dem sich gerade im Wahlkampf befindlichen slowakischen Premierminister MikulᚠDzurinda statt. Von den Mitgliedern der Europäischen Kommission waren, unter der Führung von Romano Prodi, Michel Barnier als der für Regionalpolitik zuständige Kommissar, die Budget-Kommissarin Michaele Schreyer und der für die Erweiterung zuständige Kommissar Günter Verheugen hiebei anwesend.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen in dieser Situation auch ein europäisches Signal. Europa darf uns in Mitteleuropa nicht im Stich lassen! Kein Mensch würde es verstehen, wenn es in einer Situation wie jetzt zwar einen internationalen Hilfsfonds gibt, der bei einem Wirbelsturm in Nicaragua, einer Überschwemmung in China oder einem Erdbeben in der Türkei hilft, aber für eine innereuropäische Katastrophe marginale, fast lächerliche Beträge von, glaube ich, lediglich 1,5 Millionen € zur Verfügung stehen. Es bedarf – neben dem notwendigen und richtigen Stabilitätspakt – einer Solidaritätsunion, und zwar auch für die Mitgliedsländer der Europäischen Union und für die Kandidatenländer. Und dafür werden wir uns einsetzen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Romano Prodi hat gestern in Berlin gesagt: Was heute Österreich und seinen Nachbarn passiert, kann morgen anderswo in Europa passieren! – Das ist wahr, und deswegen wollen wir die Idee der europäischen Familie ernst nehmen: Europa soll und wird eine Solidarunion werden. Unser Ziel ist es, dass eine europäische Hilfe allen von einem derartigen Ereignis Betroffenen zusteht.

Strukturfonds-Umschichtungen sind da zu wenig. Erstens sind das sehr bürokratische Verfahren, zweitens helfen sie nie individuell Betroffenen, sondern ausschließlich Firmen beziehungsweise sind dem Aufbau der Infrastruktur gewidmet. In dieser Situation jedoch brauchen wir ein europäisches Signal, eine europäische Katastrophenhilfe, die im Notfall allen Bürgern Europas zusteht.

Der Weg dorthin wird jedoch nicht einfach sein: Wir brauchen die Einstimmigkeit im Rat, wir brauchen die Zustimmung des Europäischen Parlaments. Aber wir vier betroffenen EU-Mitgliedsländer beziehungsweise Neo-Mitglieder und die wichtigsten Kommissare haben gestern das Signal gesetzt: Wir wollen das!, und wir werben dafür.

Benita Ferrero-Waldner ist, gemeinsam mit dem deutschen Außenminister, beauftragt worden, diesbezüglich Kontakte zu den Mitgliedsländern aufzunehmen – und bereits diesen Donnerstag wird unsere Außenministerin in Dänemark mit der dänischen Präsidentschaft Kontakt aufnehmen, um in einem EU-Sonder-Ministerrat diese Dinge sozusagen auf die Reise zu bringen.

Man konnte ja direkt spüren, dass jetzt eine neue Dimension der europäischen Politik greifbar wird, nämlich eine mitteleuropäische Solidargemeinschaft. Mein tschechischer Kollege Vladimír


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