Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 56

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Ich glaube, wir sollten allen Menschen in unserem Land, die Opfer dieser Katastrophe geworden sind, zurufen: Wir lassen euch nicht allein! Die Politik lässt euch nicht allein! Ihr könnt euch auf uns verlassen! Dieses Land ist in guten Händen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dkfm. Dr. Stummvoll begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundeskanzler Dr. Schüssel die Hand.)

13.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächste Rednerin Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Gleiche Redezeit. – Bitte.

13.57

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr verehrte Abgeordnete! Es ist für uns als Menschen, die diese Katastrophe nicht hautnah erlebt haben, sehr schwierig, das nachzuempfinden, was die davon betroffenen Leute empfinden, die alles verloren haben, die ihre wirtschaftliche Existenz und ihr persönliches Hab und Gut verloren haben. Diese Verzweiflung auf der einen Seite und dieser Optimismus auf der anderen Seite, das alles wieder aufzubauen, das ist für uns Politiker von dieser Stelle aus einfach nicht nachvollziehbar.

Das Einzige, was wir tun können, ist zu sagen: Wir haben große Hochachtung und großen Respekt vor all den Menschen, die das jetzt hinter sich haben und an den Wiederaufbau ihrer wirtschaftlichen Existenz, an die Wiederbeschaffung von Hab und Gut gehen. Und wir haben großen Respekt vor all denjenigen, die vor Ort geholfen haben, große Anerkennung für die Helferinnen und Helfer, die in den betroffenen Gebieten vor Ort waren. Aber für uns als Politiker ist es trotzdem sehr schwierig, diese gesamte Verzweiflung nachzuvollziehen.

Ich möchte uns aber trotzdem einige Fragen nicht ersparen, die aus meiner Sicht sehr wesentlich sind. Auch als Grüne sind sie für mich sehr wesentlich, nämlich: Was hätten wir bereits in der Vergangenheit vermeiden können? Hätte es etwas Vermeidbares gegeben? Haben wir wirklich alles getan, um die Auswirkungen von solchen "Naturkatastrophen" – unter Anführungszeichen – wirklich zu vermeiden oder zu mildern?

Es ist eine Tatsache, die unter Wissenschaftern und Experten eigentlich unbestritten ist: Wir haben nicht alles getan! Es gibt auch ein großes Maß an Verantwortung, was unseren Umgang mit der Natur in Österreich betrifft. Diese Verantwortung müssen wir auch wahrnehmen – nicht nur jetzt in schönen Reden, sondern tatsächlich von heute an auch in der Zukunft! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wie viel ist an solchen Katastrophen hausgemacht? Was bedeutet es, wenn man 5 Prozent der Fläche Österreichs den Flüssen weggenommen hat? Was haben wir in der Vergangenheit mit unseren Gewässern gemacht? Was bedeutet es, Herr Umweltminister, wenn 30 000 Flusskilometer verbaut wurden, wenn mittlerweile – die letzten 45 Jahre hindurch – 80 Prozent der gesamten Flussstrecken verbaut wurden? Was bedeutet es, wenn man den Flüssen 400 000 Hektar an Überflutungsräumen, also 5 Prozent der Fläche Österreichs, genommen hat? Waren das keine Fehler der Vergangenheit? Kann man darüber heute einfach so hinwegreden?

Ich glaube, wir sind heute an einem Punkt angelangt, an dem man sagen muss: Das müssen wir in Zukunft grundsätzlich ändern! Es geht nicht nur um ein paar Pilotprojekte, um ein bisschen ökologischen Flussbau, sondern es geht um einen grundsätzlich anderen Umgang mit der Natur. Wir können die Natur nie beherrschen, wir können nur mit ihr leben. Deswegen möchte ich gerne ein paar Fragen von Ihnen beantwortet wissen, Herr Umweltminister. Sie haben heute zwar bereits ein paar Worte dazu gesagt, aber einige wichtige Fragen sind immer noch offen.

Wird es in Zukunft ökologischen Wasserbau in Österreich geben? Werden Sie die Flüsse so weit revitalisieren, dass wir wieder einen natürlichen Hochwasserschutz haben? Werden Sie verhindern, dass selbst kleine Gewässer mit Stauseen in enge Bahnen gedrängt werden, dass natürliche Retentionsräume immer weiter verschwinden? Sind Sie bereit, im Hinblick auf dieses ungeheure Ausmaß der Versiegelung etwas zu unternehmen? – Eine Zahl in diesem Zusammenhang: Wir verlieren jeden Tag 25 Hektar Grund und Boden. Das wird sozusagen für immer


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