Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 60

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die Anhänger der Oppositionsparteien, sondern erhielt eine breite Zustimmung quer durch alle Parteien und Bevölkerungsgruppen.

Diese eindeutige Willenskundgebung der österreichischen Bevölkerung ist nicht überraschend: Die Anschaffung neuer Abfangjäger kostet Milliarden von Euro, gleichzeitig liegt aber auf der Hand, dass sie angesichts der gegenwärtigen politischen Situation nicht notwendig sind. Anders als in Zeiten des Kalten Krieges ist Österreich heute von lauter befreundeten Staaten umgeben, von keinem Staat Europas geht heute irgendeine militärische Gefahr für Österreich aus. Sogar die von der Regierung beschlossene Landesverteidigungsdoktrin, der Verteidigungsminister und die ranghöchsten Militärs bestätigen, dass auf Jahrzehnte hinaus mit keinen militärischen Angriffen auf Österreich, sei es aus der Luft, sei es am Boden, zu rechnen ist.

Es trifft daher auch nicht zu, dass Österreich wegen der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Neutralität gezwungen wäre, Abfangjäger anzuschaffen. Die Pflichten aus der Neutralität stellen nicht auf abstrakte Situationen oder theoretische Überlegungen ab, sondern hängen von den konkreten Umständen und realistischerweise zu erwartenden Bedrohungen ab. Da auf absehbare Zeit auszuschließen ist, dass irgend ein Staat den österreichischen Luftraum unbefugt zu militärischen Angriffen auf andere Staaten nutzen wird, sodass Österreich als neutraler Staat dies verhindern müsste, ist es nicht erforderlich, dass sich Österreich auf solche bloß hypothetischen Fälle vorbereitet. Ganz abgesehen davon ist das österreichische Bundesheer aufgrund seiner Radaranlagen (Goldhaube) und Luftabwehrwaffensysteme in der Lage, Angriffe aus der Luft vom Boden aus abzuwehren.

Dazu kommt, dass der Bevölkerung klar ist, dass die Bundesregierung nicht bloß die Mindestanzahl der kostengünstigsten Abfangjäger für Zwecke der "Luftfahrtpolizei" anschaffen will, sondern das teuerste und kampfstärkste Kampfflugzeug am Markt. Durch diese Entscheidung werden die Steuerzahler auf Jahrzehnte hinaus mit Milliardenbeträgen belastet. Es ist daher verständlich, dass die österreichische Bevölkerung selbst über diese Anschaffung entscheiden will, wie sie durch das Ergebnis des Volksbegehrens zum Ausdruck gebracht hat.

Dieser Wunsch der österreichischen Bevölkerung ist von der Politik ernst zu nehmen. Die SPÖ hat daher das Recht eines Drittel der Abgeordneten zum Nationalrat in Anspruch genommen und den Nationalrat zu einer außerordentlichen Tagung eingeladen, um eine rechtliche Möglichkeit zu schaffen, der österreichischen Bevölkerung in dieser Frage ein Mitspracherecht einzuräumen. Die SPÖ schlägt vor, dass in Zukunft die Anschaffung von Abfangjägern und sonstigen Kampfflugzeugen nur aufgrund eines Bundesgesetzes erfolgen darf, das zwingend einer Volksabstimmung zu unterziehen ist. Durch den gegenständlichen Dringlichen Antrag wird die Bundesregierung ersucht, dem Nationalrat umgehend ein solches Bundesverfassungsgesetz vorzulegen, wonach der Ankauf von Kampfflugzeugen (Abfangjäger, Luftraumüberwachungsflugzeuge) einer Ermächtigung durch Bundesgesetz bedarf, das einer Volksabstimmung zu unterziehen ist.

Mit diesem Bundesverfassungsgesetz soll den Bedürfnissen der österreichischen Bevölkerung nach Mitsprache bei einer so wichtigen Investitionsentscheidung Rechnung getragen werden. Eine solche Mitsprache ist gerade auch deshalb wichtig, damit bei solchen Geschäften für die Öffentlichkeit, aber auch für das Parlament die notwendige Transparenz besteht. All dies ist beim gegenwärtigen Beschaffungsvorgang nicht der Fall:

Nach dem Ministerrat am 2. Juli 2002 spricht Bundeskanzler Dr. Schüssel von einem Kaufpreis in der Höhe von 1,791 Mrd. €. Wenige Tage später wird klar, dass der reine Kaufpreis in der wahrscheinlichen Finanzierungsvariante 2,4 Mrd. € ausmachen wird – eine Differenz von mehr als 600 Mio. €.

Bisher konnten keinerlei Angaben über die in Zukunft zu erwartenden laufenden Kosten – wie Wartung, Betriebsmittel etc. – gemacht werden. Es besteht daher in keinerlei Hinsicht wirkliche Kostenklarheit über die größte Investition in der Zweiten Republik.


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