Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 117. Sitzung / Seite 23

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Im Gegensatz zum Herrn Khol glaube ich nicht, dass die Wende rückwärts bevorsteht, ich glaube, dass diese gerade stattgefunden hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unser Bild von Österreich sollte eines sein, das weltoffen ist, das gesellschaftsliberal ist, das Nachhaltigkeits-, Bildungs- und Umweltfragen in den Vordergrund stellt, das sich nicht mit seinen Nachbarn zerstreitet, das eine europäische Politik macht, die einen auch stolz machen kann, und das steht alles in einem fundamentalen Gegensatz zu den letzten zweieinhalb Jahren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Haschisch auf Krankenschein!)

Die Dinge, die unter dem Strich für mich und auch für viele Menschen in Österreich übrig geblieben sind, sind auf der einen Seite der Schweigekanzler, der zu vielen Angriffen, der zu autoritären, demokratiefeindlichen Tendenzen immer geschwiegen hat, und auf der anderen Seite das Nulldefizit, das zu einem Fetisch erhoben worden ist, wofür viele Menschen in Österreich – unter Anführungszeichen – "bluten" mussten und wodurch letztendlich auch ausgedrückt worden ist: Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Es ist das die Auflösung eines solidarischen Prinzips. Die Zielsetzung im Nachhaltigkeitsplan dieser Bundesregierung, die Steuer- und Abgabenquote zum Beispiel auf 40 Prozent zu senken, ist genau diese Aufkündigung einer solidarischen Gesellschaft, einer Weiterentwicklung des Bildungssystems, des Sozialsystems, des Gesundheitssystems, der wir eine deutliche Absage erteilen wollen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: In Ihrer Partei hat man gerade das Wahlrecht der Basis abgeschafft! Da wird nicht mehr gewählt, da wird eingesetzt!)

Das Nulldefizit ist jetzt vielleicht für ein Jahr zustande gekommen, im Grunde sind die großen Reformen völlig ausgeblieben; das Stichwort "Aufgabenreform" ist gefallen. Ich habe nichts gesehen von einer Bundesstaatsreform, ich habe nichts gesehen von einer offensiven Verwaltungsreform. Aufgabenkritik ist da angebracht, denn wesentliche Fragen sind in diesem Bereich völlig unerledigt geblieben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte eine Forderung, die auch immer wieder in den letzten zweieinhalb Jahren in Richtung der alten Bundesregierung erhoben worden ist, nämlich einen Kassasturz zu machen, jetzt auch an den Finanzminister Grasser richten: Wo ist eigentlich Ihr Kassasturz? Sie waren ja im Sommer, glaube ich, nicht auf Urlaub. Was ist eigentlich in all dieser Zeit geschehen? Warum gibt es kein Budgetprovisorium? Warum gibt es nicht einmal eine aktuelle Information über den gegenwärtigen finanziellen Stand dieser Republik? (Abg. Dr. Martin Graf: Ein Budgetprovisorium gibt es immer! Das steht in der Verfassung!) Ich fordere diesen Bundesminister auf, einen Kassasturz vorzulegen. Ansonsten bleibt nur ein einziger Eindruck übrig, nämlich dass es hier einen Finanzminister gegeben hat, der, anstatt mit Wirtschaftsforschungsinstituten und auch mit der Opposition zusammengearbeitet zu haben, nur Werbung und PR gemacht hat und sonst nichts. (Beifall bei den Grünen.)

Das zweite große Erinnerungsstück dieser verblichenen blau-schwarzen Regierung: der Schweigekanzler. Machtgierig, machthungrig: Diese Eigenschaften schreibt ihm die Bevölkerung sehr stark zu. Das Einzige, was jetzt von der ÖVP gekommen ist: Schüssel muss Kanzler bleiben! Ich glaube, darauf kommt es nicht an, es geht um einen Politikwechsel. (Beifall bei den Grünen.)

Das Schweigen zu den autoritären, antidemokratischen Tendenzen, die es gegeben hat, wird, so denke ich, in ganz Europa von diesem Kanzler stark in Erinnerung bleiben. (Abg. Dr. Martin Graf: Bei der grünen Partei! Da wird nicht mehr gewählt, da wird eingesetzt!)

Ich möchte nun auf etwas eingehen, was mir sehr wichtig ist: Es war heute bei den ersten Politikreden hier wieder etwas sichtbar, was, wie ich meine, viele Leute in Österreich nicht mehr ertragen können und wollen, und das ist der Stil. Ich denke, nicht nur der Inhalt ist wichtig, sondern auch der Stil. Wir wollen einen Politikwechsel nicht nur von den Inhalten her, sondern auch vom Stil her, Herr Kollege Schweitzer. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Böhacker: Sagen Sie das Ihrem Kollegen Pilz!)


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