Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 19

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Das Wahlergebnis vom 24. November 2002 bringt es auch mit sich, dass Heinz Fischer nicht für das Amt des Ersten Präsidenten, sondern für jenes des Zweiten Präsidenten kandidiert. Gestatten Sie mir, dass ich darauf kurz Bezug nehme.

Heinz Fischer war im Großen und Ganzen ein fairer und vorbildlicher Präsident dieses Hohen Hau­ses. Natürlich waren wir nicht immer mit allem einverstanden, aber heute ist nicht der Zeit­punkt, sich mit Kleinlichkeiten auseinanderzusetzen. Wie gesagt, im Großen und Ganzen fan­den wir diese Präsidentschaft vorbildlich. Das empfinden auch alle meine Kolleginnen und Kollegen im grünen Klub so.

Dies ist nicht ganz selbstverständlich. Heinz Fischer ist ja nicht sozusagen als Vorbild vom Him­mel gefallen, auch nicht als Präsident, er war früher Klubobmann bei den Sozialdemokraten. Die­se Zeit habe ich nicht erlebt, aber wie ich höre, war Heinz Fischer als Klubobmann so wie die anderen Klubobleute auch parteiisch und im Interesse der Sozialdemokraten tätig. Das neh­me ich einmal an, das ist jeder Klubobmann. Er hat sich aber in diesem Amt des Ersten Prä­sidenten gewandelt.

Es gab eine zweite, wie ich meine, einschneidende Geschichte, und das sollte man schon beto­nen: Als Heinz Fischer in der letzten Legislaturperiode gewählt wurde, nämlich 1999, war er Mit­glied einer Regierungspartei, und zwar der damaligen Kanzlerpartei. Im Februar 2000 war das an­ders, da war er Mitglied einer Oppositionspartei, und wenn ich mich nicht täusche – korri­gie­ren Sie mich, Herr Khol, wenn ich mich irre! –, ist das einmalig in der gesamten Geschichte der Zweiten Republik, dass der Präsident des Nationalrates Mitglied einer Oppositionspartei ist. Doch: Es hat funktioniert! Es ist nicht notwendig – das sollte man sich für die Zukunft auch mer­ken! –, dass der Präsident des Nationalrates in all seiner Machtfülle Mitglied einer Regierungs­par­tei ist. Es hat mit Heinz Fischer als Sozialdemokraten und damit oppositionellem Abgeord­neten glänzend funktioniert.

Ich halte diese Erfahrung für sehr gut, gut für den Parlamentarismus, dass der Präsident des Par­laments, das ja weder Erfüllungsgehilfe der Regierung ist und sein kann, aber gleichzeitig auch nicht Obstruktion gegen die Regierung betreiben kann, in dieser schwierigen Situation die Inter­essen des Parlaments in Kooperation mit den Regierungsparteien durchaus perfekt wahr­nehmen kann.

Ich habe immer wieder festgestellt, dass der Präsident vom Gesetz her eine Fülle von Macht­mög­lichkeiten hat. – Herr Kollege Khol! Bitte seien Sie ein bisschen vorsichtig, ich mahne Sie schon jetzt. Ich traue es Ihnen ohnehin zu, es auch zu sein. Die Präsidiale als Konsens­konfe­renz, wo man versucht, Konsens herzustellen – schön und gut! Fast immer ist es uns gelungen, Kon­sens herzustellen, aber wenn es nicht gelänge, dann könnte der Präsident allerhand ma­chen.

Eine Anekdote zum Beispiel ist mir in Erinnerung. War es nicht das letzte Mal 1999, als wir wie­der große Probleme hatten, die Sitzordnung festzulegen? Da hat uns der Präsident, Heinz Fi­scher, gedroht, die Sitzordnung alphabetisch vorzunehmen, falls die vier Parteien zu keiner Einigung kämen. – Das hat übrigens gewirkt! (Heiterkeit.)

Auch in Erinnerung bleiben wird mir die Eigenart von Heinz Fischer, nach Möglichkeit Präjudize zu vermeiden, was ich für ein völlig aussichtsloses Unterfangen halte. Aber bei jeder Entschei­dung, die er trifft, sagt er: „unpräjudiziell“ – auch dann, wenn sie der Geschäftsordnung ent­spricht! (Heiterkeit.)

Ich habe es mir einmal geleistet – ich glaube, das ist ein berühmter und noch immer einzigarti­ger Fall –, in eigener Sache eine tatsächliche Berichtigung vorzunehmen. Herr Kollege Khol hat mir damals inhaltlich geholfen. Ich hatte behauptet – der Zusammenhang ist ja egal –, etwas wä­re von Shakespeare. Es gab lange Debatten, ob das überhaupt stimmt, und Herr Khol hat mich dann aufgeklärt und gesagt, nein, Schiller wäre es. Dann habe ich eine tatsächliche Be­rich­­tigung gemacht, aber weil das so eigenartig war, ging ich vorher zum Präsidenten und sagte, dass ich eine tatsächliche Berichtigung machen möchte, aber mich selbst berichtigen


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