Ich bin dann 1963 zum Klubsekretär der SPÖ bestellt
worden. Mein Visavis in der ÖVP war Dr. Smejkal, ich würde fast sagen,
der – jedenfalls damals – legendäre Dr. Smejkal. Da sich die parlamentarische
Arbeit damals noch nicht so entfaltet hat wie heute, hat es im gesamten Parlament
bei allen drei Fraktionen insgesamt nur fünf Mitarbeiter gegeben. Als ich zum
Klubsekretär bestellt wurde, musste ich mich beim Herrn Bundespräsidenten
Dr. Schärf vorstellen gehen, denn dieser hat ein strenges Auge auf das Parlament
gehabt. Er war ja selbst in der Ersten Republik Klubsekretär gewesen, und er
wollte daher die Leute, die diese Arbeit machen, kennen lernen. Dann hat ein
langsamer Ausbau begonnen. Erhard Busek ist auf der ÖVP-Seite dazugekommen,
Hannes Androsch auf der SPÖ-Seite, und einige Jahre später – weil er es
erwähnt hat; ich glaube, es war 1968 – Dr. Wolfgang Schüssel. Das war
auch eine spannende Zeit: ÖVP-Alleinregierung. Damals habe ich schon kennen
gelernt, welch große Bedeutung der politische Wechsel für die Demokratie hat.
Es gibt Politikwissenschafter, die Demokratie als jenes politische System
definieren, in dem der Mehrheits- und Machtwechsel auf friedliche Weise vor
sich geht – keine schlechte Definition, und sie sagt viel aus. Ganz
besonders deutlich habe ich das dann im Jahr 1970 kennen gelernt, denn das
Wahlresultat von 1966, das für die ÖVP so hervorragend war, hat sich im
Jahr 1970 umgekehrt. Im Präsidium des Nationalrates – Präsident
Maleta war zu diesem Zeitpunkt acht Jahre Präsident des Hohen Hauses – hat
es auf Grund des Wahlergebnisses vom 1. März 1970, das der SPÖ
81 Mandate und der ÖVP 78 Mandate beschert hat, den Freiheitlichen zu-nächst
fünf und nach einer Wahlanfechtung sechs Mandate, einen Wechsel gegeben.
Damals, bei dieser Wahl des Nationalratspräsidenten am 31. März 1970, bin
ich als Klubsekretär hier im Saal irgendwo links gestanden – ich kann mich
ziemlich genau erinnern; ich weiß nicht, wo Wolfgang Schüssel gestanden ist,
wahrscheinlich weiter rechts (Heiterkeit) –, und es ist der
Wechsel von Maleta zu Waldbrunner ganz reibungslos vollzogen worden. Präsident
Maleta hat die Funktion des Zweiten Präsidenten übernommen. Ich habe in den
letzten Tagen einige Male an diese Situation gedacht.
Ich werde Sie jetzt nicht mit weiteren Schilderungen
der Entwicklung des Parlamentarismus aufhalten. Ich möchte Ihnen nur sagen,
dass es zum Beispiel in den siebziger Jahren und auch in den späten sechziger
Jahren, als es absolute Mehrheiten im Parlament gegeben hat, auch klare
politische Meinungsunterschiede und dennoch bemerkenswerte persönliche Freundschaften
gegeben hat. Zur Zeit, als Withalm und Pittermann Klubobmänner waren, war es
so: Wenn Dr. Withalm zur Kur nach Montecatini gefahren ist, hat er zu
seinem Visavis Bruno Pittermann gesagt: Und du passt mir auf, dass in den
14 Tagen kein Blödsinn geschieht im Parlament! Die haben sich menschlich
aufeinander verlassen können, und das ist bemerkenswert.
Ich selbst habe eine wirklich echte und große
Freundschaft zum Beispiel mit Stephan Koren, dem Klubobmann der ÖVP, gehabt und
habe seine Witwe bis zuletzt noch besucht, auch als sie krank war, auch als sie
in einem Altersheim war. Wolfgang Schüssel weiß das wahrscheinlich. Es ist
schön, wenn man über so etwas berichten kann.
Ich bin dann dem Nationalrat während meiner Tätigkeit
als Wissenschaftsminister einige Jahre untreu geworden, dann wieder
zurückgekommen und im November 1990 zum Präsidenten gewählt worden. Ich
habe das als eine wirklich wichtige, schöne Aufgabe empfunden und mich bemüht,
sie zu erfüllen, so gut es geht. Niemand kann sagen, dass er nicht auch Fehler
gemacht hat, aber ich habe versucht, es so gut wie möglich zu machen. Ich habe
in dieser Zeit auch eine sehr gute Zusammenarbeit in der Präsidialkonferenz
gehabt, eigentlich mit allen, die seit 1990 Mitglieder der Präsidialkonferenz
waren; ich will sie jetzt nicht einzeln aufzählen.
Es ist dann zum Wahlergebnis vom 24. November gekommen, das wiederum einen großen Wechsel ausgelöst hat, zu einem Wahlresultat, das starke Veränderungen, wie es das Gesetz der Demokratie nun einmal vorsieht, gebracht hat. Und es fällt mir nicht nur kein Stein aus der Krone, die ich ohnehin nicht habe, sondern ich mache es gerne, Bundeskanzler Schüssel zu seinem großen Erfolg in sportlicher Gesinnung herzlich zu gratulieren. Es steht ein großer Einsatz dahinter. Aber ich möchte auch den anderen Spitzenkandidaten, Dr. Alfred Gusenbauer, Mag. Haupt, Dr. Van der Bellen, zu ihrem unglaublich großen Einsatz, den sie letzten Endes