Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 46

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Die Beitrittsverhandlungen selbst haben für uns, glaube ich, ein gutes Ergebnis gebracht. Ich glaube, dass auch die Bevölkerung in den Kandidatenländern das ähnlich sieht, und ich wün­sche mir und uns, dass die notwendigen Volksabstimmungen auch mit deutlicher Mehrheit po­sitiv ausgehen werden.

Ich sage das nicht nur, weil wir nachbarschaftliche, gute Gefühle haben, sondern auch, weil die­se Vereinigung Europas in unserem ureigensten Interesse liegt. Sie ist ein wichtiger Beitrag zu Frieden und Stabilität, gerade in unserer Zone Europas, wo es Krieg, Gewalt, Vertreibungen, Ent­eignungen gegeben hat. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur inneren Sicherheit. Denken Sie nur daran, dass die Bekämpfung von grenzüberschreitenden Risken, gegen die sich heute kein Na­tionalstaat mehr alleine wappnen kann – organisierte Kriminalität, Geldwäsche, Drogen- oder Men­schenhandel –, viel besser international und europäisch koordiniert werden kann! Die bei­tre­tenden Länder gehören nicht gleich der Schengen-Zone an, aber sie arbeiten sehr engagiert darauf hin, dass sie so bald wie möglich dieser inneren Zone der Sicherheit angehören können.

Für uns von Anfang an ein ganz wichtiges Thema war die Umweltqualität. Ich darf daran erin­nern, dass jetzt mit der Übernahme der EU-Standards in diesen Kandidatenländern an die 100 Mil­li­arden € investiert werden müssen, um die Wirtschaften und die diversen umwelt­ver­schmutzenden oder -belastenden Einrichtungen auf ein saubereres, europäisches Niveau zu brin­gen. Ich bin ganz sicher, dass mit dem Umweltcluster, den wir in der Wirtschaft aufgebaut ha­ben, auch die österreichische Wirtschaft dabei eine exzellente Chance haben wird.

In der Wirtschaft ist es für uns besonders wichtig zu sehen, dass wir als kleineres Land im Her­zen Europas, mit einem Anteil von 2 Prozent an der EU-Bevölkerung, jetzt schon 8 Prozent des Handelsvolumens der Europäischen Union haben und dass wir damit auch einen Teil der Wachs­tumsgewinne oder der Wachstumsvorteile unserer Nachbarländer für uns nutzen kön­nen. Die realen Wachstumsraten liegen in den Kandidatenländern rings um uns zwischen 3,5 und 4 Prozent, sodass dies auch für uns eine Arbeitsplatz- und eine Gesamtwirtschaftschance sein wird.

Sehr heftig umstritten waren bis zum Rat von Kopenhagen die Finanzströme. Die Einigung kos­tet uns insgesamt für ganz Europa 40,9 Milliarden €, kumuliert bis zum Jahre 2006. Das heißt, wir liegen damit, und zwar ungefähr mit 1,75 Milliarden €, unter den Beschlüssen von Berlin, ob­wohl wir damals ja nur sechs Länder aufnehmen wollten, heute aber zehn aufgenommen ha­ben. Die Nettokosten für die heutigen 15 EU-Mitgliedsländer liegen bei knapp über 10 Milli­arden €. – Allein der Mitgliedsbeitrag der neuen Kandidaten macht 15 Milliarden € aus! – Ich sage das, damit man hier auch ein wenig die Relation sieht.

Die „Herald Tribune“ hat in diesen Tagen in einem sehr interessanten Leitartikel geschrieben, dass die Erweiterung für Europa und für die heutigen EU-15 eigentlich ein sehr gutes Geschäft ist, eine der besten Investitionen in unsere eigene Zukunft. Wir haben uns ausgerechnet, dass wir in den nächsten drei Jahren, ab 2004, 570 Millionen € investieren werden, das sind für jeden Ös­terreicher 25 €.

Interessant ist, dass die neuen Kandidatenländer dabei nicht zu den gleichen Bedingungen ein­steigen wie die heute bestehenden Mitglieder. Griechenland erhält pro Kopf etwa 437 € pro Jahr, Spanien etwa 126 €, Slowenien 41 €, Ungarn 49 €, Polen 67 € und die Tschechen sogar nur 29 €. Dass wir daneben noch erreicht haben, dass wir die Agrarausgaben bis zum Jahr 2013 stabilisiert haben, und damit eine Kostenexplosion auf der einen Seite, aber auch eine Verunsicherung der heimischen Landwirtschaft auf der anderen Seite verhindert haben, ist wichtig und ist, glaube ich, auch ein Element dieser positiven Beschlüsse von Kopenhagen.

Österreich hat sich, genauso wie Deutschland, massiv dafür eingesetzt, dass wir für eine Über­gangsfrist von sieben Jahren unseren Arbeitsmarkt kontrollieren können, und zwar selbst kontrol­lie­ren können. Das wurde von allen akzeptiert. Die Frage, ob wir diese Frist zur Gänze aus­schöpfen oder nicht, wird sehr wohl davon abhängen, wie sich bei uns die Arbeits­markt­entwicklung abzeichnet. Jetzt wäre es zu früh, darüber ein endgültiges Urteil zu treffen. Aber es ist unsere Entscheidung, und das ist, glaube ich, eine sehr vernünftige Sache gewesen.

 


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