Wir haben uns massiv – Michael Spindelegger hat
darauf hingewiesen – gemeinsam in einem weitgehenden Parteienkonsens für
die atomare Sicherheit eingesetzt, weil durch den Beitrittsprozess erstmals
die Möglichkeit bestand, dass wir unsichere Kernkraftwerke in unserer Nachbarschaft
stilllegen oder jedenfalls sicherheitsmäßig aufrüsten können. Es werden drei
Kernkraftwerke überhaupt zugesperrt: Ignalina und Bohunice stehen bereits
außer Streit – die betreffenden Länder sind ja schon Beitrittskandidaten –,
und gestern hat, wie ich mit großer Freude gehört habe, die bulgarische
Regierung beschlossen, dass auch Kozloduj, genauso, wie es vereinbart gewesen
ist, stillgelegt wird, was den Bulgaren große Opfer abverlangt; aber es ist ein
Beitrag zu einer vernünftigen Atomsicherheitspolitik innerhalb Europas.
Was Temelin betrifft, so haben wir darum gerungen.
Temelin war nicht auf der Liste der zu schließenden Kernkraftwerke – das
haben die Kommission und die anderen Länder nie akzeptiert –, sondern es
ist ein jetzt erst in Betrieb gehendes Kernkraftwerk. Hier haben wir mit Hilfe
der Mediation der Kommission erreicht, dass es einen bilateralen Vertrag,
völkerrechtlich bindend, für Tschechien und Österreich gibt. Wir wollten im
Einvernehmen mit Prag und mit der Kommission diesen Melker Vertrag als ein
Protokoll dem Beitrittsakt beilegen und damit bis zum Europäischen Gerichtshof
einklagbar machen.
Der letzte Punkt wurde nicht erreicht, und zwar nicht,
weil die Tschechen sich quergelegt haben, ganz im Gegenteil: Die sind zu ihrem
Wort gestanden, und ich möchte das hier auch ausdrücklich festhalten. Prag hat
sich in dieser Phase erstklassig verhalten und hat wirklich gut mit uns
zusammengearbeitet. Der neue Ministerpräsident Špidla und Außenminister Svoboda haben
sehr eng und vertrauensvoll mit uns kooperiert. – Es haben vielmehr drei
EU-Mitgliedsländer, die selbst Atomkraftwerke haben, verhindert, dass wir
damit quasi durch die Hintertür ein Gemeinschaftsrecht für Atomkraftwerke
bekommen – ein Anliegen, das wir, glaube ich, gemeinsam vertreten,
bezüglich dessen die Kommission auf unserer Seite ist und jetzt auch schon die
ersten Vorschläge vorgelegt hat.
Dennoch haben wir erreicht, dass die Melker
Konklusionen dem Beitrittsvertrag als Annex angefügt werden – nicht als
Protokoll, aber als bilaterale Erklärung – und dass der Europäische Rat
diesen Vertrag positiv zur Kenntnis genommen und begrüßt hat und letztlich
auch seine umgehende Umsetzung erwartet.
Am schwierigsten für uns war die Transitfrage. Ich
habe der Präsidialkonferenz hiezu einen genauen Bericht erstattet, und ich
möchte diese Dinge auch hier sehr realistisch beschreiben, um auch der
Opposition, die das sehr kritisch sieht, meine Sicht der Dinge darzulegen und
sie damit auch der Öffentlichkeit bekannt zu geben.
Als wir vor drei Jahren begonnen haben, hatten wir
nichts an Vorarbeit oder an Zusagen für eine Verlängerung des Transitvertrages.
Ich sage das hier, ohne jemanden zu beschuldigen. Es war völlig klar, dass mit
dem Ende des Jahres 2003 die seinerzeit bei unserem Beitrittsvertrag ausgehandelte
Transitlösung ersatzlos auslaufen wird. Ich möchte sehr dafür danken, dass
Mathias Reichhold, der Infrastrukturminister, aber ebenso auch die
Außenministerin ein unermüdliches Lobbying betrieben haben, um den Boden
dafür aufzubereiten, dass wir bei den anderen 14 Mitgliedstaaten
Verständnis dafür finden, dass es eine Verlängerung dieser Ökopunkte-, dieser
Transitregelungen geben muss.
Wir haben das zum ersten Mal in Laeken, in den Schlussfolgerungen
des vorjährigen Europäischen Rates, verankern können. Der
Infrastrukturminister hat mir eine Liste gegeben, aus der hervorgeht, dass er
allein in diesem Jahr bei 40 internationalen Begegnungen Lobbying für dieses
wichtige Anliegen betrieben hat. Die Vizekanzlerin war gemeinsam mit der
Außenministerin zu einem bilateralen Treffen in Italien. Der Herr
Bundespräsident war im Herbst dieses Jahres auf Staatsbesuch. Ich habe es mir
sogar mitgenommen, um es Ihnen zu zeigen (der
Redner hält ein Schriftstück in die Höhe): Es ist am
25. September dieses Jahres von Lunardi und Reichhold unterschrieben
worden – unterschrieben vom italienischen Verkehrsminister, jede Seite,
wie man das bei einem internationalen Vertrag macht –, dass der
Kommissionsvorschlag, den wir in Laeken erbeten haben und der wenige Tage
später vorgelegt wird, auch wirklich genehmigt wird.