Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 23

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und zwar nicht nur wegen der rund 2 Millionen Flüchtlinge, mit denen man rechnen müsste, sondern man muss in diesem Zusammenhang natürlich auch die wirtschaftlichen Auswirkungen und die Abhängigkeit Europas vom Öl aus dem Nahen Osten berücksichtigen; zu bedenken sind auch die politischen Auswirkungen einer Destabilisierung des Nahen Ostens mit allen mög­lichen Konsequenzen. Daher ist es nur verständlich und richtig, dass die Völker Europas sagen: Wir wollen keinen Krieg! Diese Position sollten wir hier im österreichischen Parlament, und zwar ohne Wenn und Aber, unterstützen, und wir sollten keinerlei Zweifel daran aufkom­men lassen.

Dabei geht es auch klar darum, wen Österreich in seiner Außenpolitik unterstützt. Wir alle wol­len doch eine einheitliche europäische Position haben. Ja, die gibt es auf einem Sondergipfel – aber immer vor und nach einem solchen gibt es diese einheitliche europäische Position eben nicht. Seit mehreren Tagen unterstützt ja beispielsweise Großbritannien einen Vorschlag der USA im Weltsicherheitsrat, gleichzeitig aber unterbreiten Deutschland und Frankreich, mit der Un­ter­stützung Russlands und Chinas, einen anderen Vorschlag. Da muss einem natürlich völlig klar sein, dass diese beiden Vorschläge in unterschiedliche Richtungen gehen: Der amerika­nische Vorschlag geht in die Richtung, im Weltsicherheitsrat eine Grundlage dafür zu schaffen, dass es zu einem bewaffneten Einsatz im Irak kommen kann. Der deutsch-französische Vor­schlag hingegen geht in die Richtung, alles zu tun, um einen solchen kriegerischen Einsatz zu ver­hindern. Da geht es eben nicht um Nuancen, sondern da geht es darum, ob Krieg ver­hindert wird.

Ich erwarte mir von einer österreichischen Außenministerin und von einer österreichischen Außen­­politik, dass man in dieser Frage klar Position bezieht und sagt: Jawohl, wir stehen auf der Seite derjenigen, die den Krieg mit allen Mitteln verhindern wollen, und stehen in Europa daher auf der Seite Frankreichs und Deutschlands. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lu­nacek.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es stellt sich auch die Frage der Zukunft der Welt­po­litik. Gesagt wurde ja – da teile ich die Auffassung des Herrn Bundeskanzlers –, dass man nicht den Fall einer politischen Vorab-Intervention im Irak schaffen dürfe, da ja bekannterweise die USA nicht nur die Abrüstung des Irak wollen – die wir im Übrigen alle unterstützen –, sondern dort auch einen Regimewechsel anstreben. Wenn man das nämlich durchgehen lässt, dann stellt sich schon die Frage: Wo wird das nächste Mal auf der Welt mit Waffengewalt ein Re­gime­wechsel herbeizuführen versucht, und wer entscheidet darüber, in welchen Staaten zu wel­chem Zeitpunkt mit welchem militärischen Aufwand ein Regimewechsel erreicht wird?

Da Sie, Frau Außenministerin, in einem „profil“-Interview gesagt haben, es würde das Chaos aus­brechen, wenn sich auch Nicht-Mitglieder des Sicherheitsrates in der internationalen Öffent­lichkeit positionieren, erwidere ich Ihnen ganz offen: Ich glaube, Chaos in der Weltpolitik würde dann ausbrechen, wenn in Zukunft auf Basis nicht nachvollziehbarer Fakten einzelne Staaten dar­über entscheiden könnten, in welchen anderen Staaten mit Waffengewalt ein Regime­wechsel herbeigeführt wird. Da würde tatsächlich Chaos in der Weltpolitik drohen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich auch die Frage der Vergleichbarkeit. Wenn man die letzten Tage beurteilt und sagt, es gebe einen Streit darüber, ob die irakischen Raketen 150 oder 180 Kilometer weit flie­gen, dann ist das insofern wichtig, als damit Erfordernisse des Weltsicherheitsrates nicht erfüllt wur­­den. Aber eine Frage stelle ich Ihnen: Beim Irak – ohne dass irgendjemand in diesem Haus irgend­­eine Sympathie für den Irak hätte – geht es meistens um Verdächtigungen, die die Inspek­toren nun untersuchen. Es gibt andere Länder der Erde, in denen es Diktaturen gibt und wo es hundertprozentige Gewissheit gibt, dass in diesen viel massivere Massenvernichtungs­waf­fen vorhanden sind, als man dem Irak überhaupt unterstellt. Es stellt sich für mich schon die Frage der Vergleichbarkeit: Wieso geht man gegen den Irak mit jener Vehemenz vor, die wir derzeit sehen, vor allem von Seiten der USA, und wieso geht man zum Beispiel mit Nordkorea in einer sehr viel anderen Art und Weise um?

 


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