Präsident
Dr. Andreas Khol: Als letzter Redner dazu zu Wort
gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ich erteile es ihm.
10.03
Abgeordneter
Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Der Aufmarsch ist abgeschlossen; die Truppen sind rund um die
irakischen Zielgebiete stationiert. Eine einzige Frage ist seltsamerweise bis
heute unbeantwortet geblieben: Warum wollen die USA um jeden politischen und
militärischen Preis der Welt einen Krieg gegen den Irak und das Regime von
Saddam Hussein führen? – Darauf wird gesagt: Es ist dies wegen der
Massenvernichtungswaffen.
Meine Damen und
Herren! Wer sich damit beschäftigt, weiß, dass das im Großen und Ganzen ein
Schwindel ist. Es waren die USA, die die Chemiewaffenkonferenz gezwungen haben,
die Untersuchungen im Irak abzubrechen. Es waren die USA, die die
Biowaffenkonferenz boykottiert und arbeitsunfähig gemacht haben. Und wenn es
darum geht, mittels internationaler Vereinbarungen etwas gegen
Massenvernichtungswaffen zu tun, haben Sie immer die gleiche Liste von Staaten,
die sich weigern, zu kooperieren: Libyen, Irak, Iran und die USA.
Das zweite
Argument lautet: Wir müssen das Regime von Saddam Hussein stürzen. – Jetzt
gehe ich gar nicht auf die Frage ein, was das für die Welt bedeutet, wenn jede
Großmacht, die militärisch dazu in der Lage ist, sagen kann, wir nehmen uns
heute und morgen vor, dieses oder jenes Regime aus folgenden Gründen zu
stürzen, sondern weise nur auf eines hin: Mit dem Internationalen
Strafgerichtshof, der eine massive Unterstützung der Europäischen Union hinter
sich hat, gibt es endlich ein Instrument, um mit Potentaten und Diktatoren wie
Saddam Hussein rechtsstaatlich umzugehen und, wenn es notwendig ist, dann,
wenn der Gerichtshof verurteilt, diese Urteile über den Weltsicherheitsrat
auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen.
Die USA sagen:
Nein, das ist nicht unser Weg; wir erkennen den Strafgerichtshof nicht an; wir
sind das Weltgericht, und wir sind die Weltpolizei. Niemand kann
uns dreinreden! Wir bestimmen, wo Krieg geführt wird, und wir
bestimmen, mit wem und mit welchen Zielen.
Es gibt also nur
einen Punkt und nur eine Antwort: Die USA wollen Krieg führen im Irak mit den
gleichen Vorstellungen und mit den gleichen Motiven, mit denen sie Kriege
gegen den Iran, gegen den Sudan und möglicherweise gegen andere Staaten
vorbereiten. Dabei geht es um Öl, dabei geht es um Wirtschaftsinteressen,
dabei geht es um Interessen der globalen Vorherrschaft, und dabei geht es um
die Interessen einer Supermacht, die sagt, nichts bindet uns, nichts steht über
uns, alle haben sich an uns zu orientieren.
Präsident Bush hat
selbst gesagt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns! – Und das
widerspricht nicht nur der europäischen Rechtskultur, nicht nur dem Geist der
Vereinten Nationen, sondern allem, was sich zu Recht heute Weltgemeinschaft zu
nennen beginnt. (Beifall bei den Grünen.)
Wie soll es jetzt
weitergehen? – Krieg im Irak, vielleicht mit Großbritannien und den
Letzten, die noch mittun? Was ist mit dem Iran, wo der Aufmarsch und die
Vorbereitungen bereits in Planung sind? Was ist mit dem Sudan, wo die
Truppenstationierungen in Dschibuti und in Kenya laufen und die
Kriegsvorbereitungen bereits offiziell sind? Soll das so weitergehen? Oder gibt
es jemanden mit politischem Gewicht, der sich den USA in den Weg stellt?
Genau darin liegt die Rolle Europas. Da geht es jetzt darum, dass sich die Europäische Union eint und sagt: Ja, wir wollen einen anderen Weg; ja, in dieser Frage sind die USA nicht unsere Partner, sondern weltpolitisch schlicht und einfach unsere politischen Gegner. Da geht es darum, eine Sicherheitsgemeinschaft zu bilden, die sich den USA auch politisch in den Weg stellen kann. Da geht es darum, zu mobilisieren, damit eine Politik, die von Rechtsstaatlichkeit global nichts hält, isoliert und geschwächt wird. Da geht es darum, zu sagen, Europa hat eine andere sicherheitspolitische Zukunft. Die sicherheitspolitische Zukunft Europas liegt nicht in einem militärischen Block, der von den USA angeführt wird, sondern die sicherheitspolitische Zukunft Europas liegt in einer Sicherheitsgemeinschaft – Sicherheitsgemeinschaft statt NATO. Wir