Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 31

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Präsident Dr. Andreas Khol: Als letzter Redner dazu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ich erteile es ihm.

10.03


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Auf­marsch ist abgeschlossen; die Truppen sind rund um die irakischen Zielgebiete stationiert. Eine einzige Frage ist seltsamerweise bis heute unbeantwortet geblieben: Warum wollen die USA um jeden politischen und militärischen Preis der Welt einen Krieg gegen den Irak und das Re­gime von Saddam Hussein führen? – Darauf wird gesagt: Es ist dies wegen der Massenver­nich­tungs­waffen.

Meine Damen und Herren! Wer sich damit beschäftigt, weiß, dass das im Großen und Ganzen ein Schwindel ist. Es waren die USA, die die Chemiewaffenkonferenz gezwungen haben, die Un­ter­suchungen im Irak abzubrechen. Es waren die USA, die die Biowaffenkonferenz boy­kot­tiert und arbeitsunfähig gemacht haben. Und wenn es darum geht, mittels internationaler Ver­ein­barungen etwas gegen Massenvernichtungswaffen zu tun, haben Sie immer die gleiche Liste von Staaten, die sich weigern, zu kooperieren: Libyen, Irak, Iran und die USA.

Das zweite Argument lautet: Wir müssen das Regime von Saddam Hussein stürzen. – Jetzt ge­he ich gar nicht auf die Frage ein, was das für die Welt bedeutet, wenn jede Großmacht, die mi­li­tärisch dazu in der Lage ist, sagen kann, wir nehmen uns heute und morgen vor, dieses oder jenes Regime aus folgenden Gründen zu stürzen, sondern weise nur auf eines hin: Mit dem Inter­nationalen Strafgerichtshof, der eine massive Unterstützung der Europäischen Union hin­ter sich hat, gibt es endlich ein Instrument, um mit Potentaten und Diktatoren wie Saddam Hus­sein rechtsstaatlich umzugehen und, wenn es notwendig ist, dann, wenn der Gerichtshof ver­ur­teilt, diese Urteile über den Weltsicherheitsrat auch mit militärischen Mitteln durch­zu­setzen.

Die USA sagen: Nein, das ist nicht unser Weg; wir erkennen den Strafgerichtshof nicht an; wir sind das Weltgericht, und wir sind die Weltpolizei. Niemand kann uns dreinreden! Wir be­stim­men, wo Krieg geführt wird, und wir bestimmen, mit wem und mit welchen Zielen.

Es gibt also nur einen Punkt und nur eine Antwort: Die USA wollen Krieg führen im Irak mit den glei­c­hen Vorstellungen und mit den gleichen Motiven, mit denen sie Kriege gegen den Iran, ge­gen den Sudan und möglicherweise gegen andere Staaten vorbereiten. Dabei geht es um Öl, da­bei geht es um Wirtschaftsinteressen, dabei geht es um Interessen der globalen Vorherr­schaft, und dabei geht es um die Interessen einer Supermacht, die sagt, nichts bindet uns, nichts steht über uns, alle haben sich an uns zu orientieren.

Präsident Bush hat selbst gesagt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns! – Und das widerspricht nicht nur der europäischen Rechtskultur, nicht nur dem Geist der Vereinten Nationen, sondern allem, was sich zu Recht heute Weltgemeinschaft zu nennen beginnt. (Beifall bei den Grünen.)

Wie soll es jetzt weitergehen? – Krieg im Irak, vielleicht mit Großbritannien und den Letzten, die noch mittun? Was ist mit dem Iran, wo der Aufmarsch und die Vorbereitungen bereits in Pla­nung sind? Was ist mit dem Sudan, wo die Truppenstationierungen in Dschibuti und in Kenya lau­fen und die Kriegsvorbereitungen bereits offiziell sind? Soll das so weitergehen? Oder gibt es jemanden mit politischem Gewicht, der sich den USA in den Weg stellt?

Genau darin liegt die Rolle Europas. Da geht es jetzt darum, dass sich die Europäische Union eint und sagt: Ja, wir wollen einen anderen Weg; ja, in dieser Frage sind die USA nicht unsere Part­ner, sondern weltpolitisch schlicht und einfach unsere politischen Gegner. Da geht es dar­um, eine Sicherheitsgemeinschaft zu bilden, die sich den USA auch politisch in den Weg stel­len kann. Da geht es darum, zu mobilisieren, damit eine Politik, die von Rechtsstaatlichkeit glo­bal nichts hält, isoliert und geschwächt wird. Da geht es darum, zu sagen, Europa hat eine an­de­re sicherheitspolitische Zukunft. Die sicherheitspolitische Zukunft Europas liegt nicht in einem militärischen Block, der von den USA angeführt wird, sondern die sicherheitspolitische Zukunft Europas liegt in einer Sicherheitsgemeinschaft – Sicherheitsgemeinschaft statt NATO. Wir


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