Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 67

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wenn er an ihnen wie an einem Dogma festhält und diese in die Regierungsverhandlungen einbringt.

1 Milliarde durch vier zu dividieren und zu sagen, ein Viertel Strukturmaßnahmen, ein Viertel Me­dikamentenkosten, ein Viertel Selbstbehalte und ein Viertel Beitragserhöhungen, das ist zwar eine simple Volksschulrechnung – dividiert durch vier bei einer runden Zahl von 1 Milliarde ist nicht ungeheuer schwierig –, aber trotzdem wird das Ganze nicht klüger, weil die ÖVP und ihre Landeshauptleute in ihrem Sektor bezüglich Strukturmaßnahmen, die in den Ländern statt­finden müssen – bei zehn unterschiedlichen Gesetzen in Österreich ist das ein Auswuchs an Föderalismus, muss ich ernsthaft und mit Nachdruck sagen –, dafür Sorge tragen werden, dass sich dieser Einsparungseffekt nicht in dieser Legislaturperiode zu Buche schlagen wird. Dafür spre­chen die Finanzausgleichsverhandlungen und die Staatvertragsbestimmungen mit den Artikel-15a-Vereinbarungen. Da hat sich die ÖVP zurückgelehnt und gesagt: Die Grünen müs­sen das tragen, die Sozialdemokraten müssen das tragen, wir würden zwar gerne et cetera. – Und so war es bei vielen Punkten.

Schüssel hat auch übersehen, dass wir an dritter Stelle in der Welt liegen, was die private Fi­nan­zierung des Gesundheitssystems betrifft. Nach den USA mit über 55 Prozent und den Nie­derlanden mit 32 Prozent liegt Österreich bereits bei über 30 Prozent an dritter Stelle in der Welt. Und dass dann eine Wirtschaftspartei, die Rosstäuscherei betreibt, ohne zu erröten – die­se Farbe würden Sie gar nicht im Gesicht zu tragen wagen – von Steuerentlastungen spricht, aber von den Leuten Geld anderswo abkassiert und sagt, ich, Staat, bin dazu nicht fähig, mich geht das nichts an, wer krank ist, ist selbst schuld, ist kühn.

Zu meiner Vorrednerin. Die Eigenverantwortung soll nicht so weit gehen, dass Leute, die ohne ihre Schuld krank werden, zum Beispiel bei Pockenbefall, zur Kasse gebeten werden. Krankheit tritt oft schicksalhaft auf. Ich bin dafür, ein möglichst dichtes Recht für Gesundheit und Schutz vor Krankheit zu verankern, aber die Pflicht zur Gesundheit wäre meiner Meinung nach etwas zu exerzierplatzmäßig. Das wünsche ich mir nicht, da fehlt mir allerhand an Solidarität.

Ganz zum Schluss, weil es Kollege Stummvoll „sehr gerne“ hört – das war jetzt zynisch – oder eben nicht so gerne hört: Das Kassendefizit ist aus folgenden Gründen entstanden: Das Brutto­inlands­produkt ist stärker gewachsen als Löhne und Gehälter. Aus Löhnen und Gehältern resultieren natürlich die Einnahmen der Kassen. Die Ausgaben der Kassen haben sich in etwa wie das Brutto­inlandsprodukt nach oben bewegt, also wie die Gewinne aus Wirtschaft, Kapital, Grund, Boden, Besitz, Sparbüchern und was Sie sonst noch anführen wollen.

Und wer ist für das Lohnniveau verantwortlich? Sind es wirklich die Kranken, die darüber befin­den können ... (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht die Regierung!) – Nicht die Regierung, aber die Wirt­schaft vielleicht ein bisschen, oder? (Abg. Dr. Stummvoll: Einen Vertrag machen immer zwei! Gewerkschaften und Arbeitgeber!) – Und die Gewerkschaften wollen weniger, und Sie bieten mehr. Also das ist eine neue Verhandlungstaktik von Ihnen, aber bitte, wenn Sie das glauben!

Dann sind den Krankenkassen 2,5 Milliarden Schilling zusätzlich von der Regierung aufge­bür­det worden. Das wissen Sie. Arbeitgebern werden die Zahlungen gestundet, sie müssen später zahlen, Arbeitgeberbeiträge werden gesenkt, Krankenkassen müssen auch private Kranken­an­stalten finanzieren, übernehmen die Bundeszuschüsse im stationären Bereich, übernehmen die Bundeszuschüsse bei der Bauernkrankenkasse. Stimmt das nicht? Das stimmt schon! (Abg. Dr. Stumm­voll: Das ist ein Teil der Wahrheit!)

Ein Teil der Wahrheit, aber ich glaube, dieser Teil der Wahrheit genügt, damit Sie Ihre Verant­wor­tung mit übernehmen müssen. Ich hoffe wirklich, Kollege Rasinger, dass es diesmal keine Kehrt­wendung gibt. Ich würde sogar Schüssel darum ersuchen, dich einmal in das Verhand­lungsteam aufzunehmen, sodass auch ein Gesundheitssprecher für die ÖVP verhandelt. Das wäre vielleicht kein übles Zeichen. (Abg. Dr. Rasinger: Wir wollten lauter Tiroler verhandeln las­sen!)

Vielen Dank für das Kompliment an Tirol. – Damit ende ich. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

12.38


 


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