Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 101

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größtenteils durch Einsparungen erfolgen, und wir fangen bei uns selbst an“; „das Budget wird nachhaltig entlastet. Jeder 15. Posten im Bundesdienst wird eingespart“; „die neue Bundes­regierung wird die Arbeitslosigkeit konsequent bekämpfen“ – um nur einige der Ankündigungen aus der damaligen Regierungserklärung Schüssels zu zitieren.

Mehr als 3 Jahre nach dieser „Wende“ steht Österreich nicht besser, sondern schlechter als damals da. Die wichtigsten Indikatoren der Wirtschaftspolitik zeigen zweifelsfrei, dass diese Wende eindeutig eine zum Schlechteren gewesen ist.

Mit 7 % hat Österreich heuer eine extrem hohe Arbeitslosenrate.

Das Wirtschaftswachstum Österreichs, das in den neunziger Jahren stets über dem euro­päischen Durchschnitt lag, ist in den letzten Jahren hinter diesem zurück geblieben.

Die Einkommen der Arbeitnehmer (der durchschnittliche Nettoreallohn pro Beschäftigten) lag im Jahr 2002 unter dem Wert des Jahres 2000.

Die unteren Einkommensschichten wurden durch eine Welle von Steuer- und Gebühren­er­höhungen überdurchschnittlich stark belastet.

Auch bei den Investitionen, beim Wachstum und damit bei der Wohlstandssteigerung hat Österreich die Überholspur verlassen.

Beim Wachstum lag Österreich im EU-Vergleich im Jahr 2001 knapp vor Deutschland auf dem vorletzten Platz.

Trotz der höchsten Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte Österreichs wurde keine nachhaltige Budgetsanierung erreicht. Die Gesamteinnahmen des Staates erreichten in Öster­reich 2001 mit 52,0 % des BIP einen Höchststand. Zum Vergleich betrugen sie in Deutschland 45,5 % und im EU Durchschnitt 46,3 % des BIP.

Die dämpfenden Effekte dieser restriktiven Politik führen zu weniger Wachstum, weniger In­vestitionen, weniger Einkommen, mehr Arbeitslosen, weniger Steuereinnahmen und zusätz­lichen Ausgaben für Arbeitslosigkeit und Pensionen.

Nach den Angaben von Finanzminister Grasser besteht ein budgetärer Konsolidierungsbedarf von rund 8 Mrd Euro über die Legislaturperiode, das ist deutlich mehr als im Jahr 2000. Nimmt man die Regierung beim Wort und unterstellt, dass sowohl Steuersenkungen als auch das „Nulldefizit“ bis 2006 erreicht werden sollen, beträgt der Konsolidierungsbedarf mehr als 13 Mrd Euro in den Jahren 2003 bis 2006.

Das heißt, dass es in keinem der Bereiche, in denen Bundeskanzler Schüssel heute einen „Reformstau“ konstatiert, der schwarz-blauen Regierung gelungen ist, ihre Versprechen einzulösen. Im Gegenteil, so richtig „gestaut“, um in der Terminologie des Bundeskanzlers zu bleiben, hat es sich – wie alle Daten zeigen – erst in den letzten drei Jahren.

Verschärft wurde diese Entwicklung noch durch den de facto-Stillstand jeglicher Regierungs­aktivität ab jenem Zeitpunk vor einem halben Jahr, als Bundeskanzler Schüssel vorgeblich we­gen der Instabilität der FPÖ Neuwahlen vom Zaun brach. In diesen Zeitraum fällt unter anderem das völlige Scheitern der Regierung in der für Österreich so wichtigen Transitfrage, teils wahl­kampfbedingt, teils durch Inkompetenz, teils als Folge eines generellen Versagens der EU-Po­litik dieser Regierung.

Schwarz-blau ist also inhaltlich gescheitert – wie Schüssel mit seiner Reformstau-Aussage indirekt bestätigt. Schwarz-blau ist auch an der Instabilität der FPÖ gescheitert – wie von Schüssel direkt bestätigt, als er diese Instabilität im September 2002 als Ursache für Neu­wahlen nannte. Trotzdem ist es nur mehr eine Frage von wenigen Tagen, bis Schüssel wiede­rum eine Regierung mit genau jener FPÖ bilden wird, der er vor einem knappen halben Jahr noch die Regierungsfähigkeit absprach. Einer FPÖ, die heute um nichts stabiler ist als damals, die im Gegenteil – soweit möglich – noch unberechenbarer und instabiler geworden ist.

 


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