Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 124

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nicht eine Regierung, nicht eine Opposition, sondern dieses Haus als Gesamtes, und manch­mal sollten wir dazu in der Lage sein, uns als der österreichische Nationalrat zu verhalten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Ist das Zufall?)

Meine Damen und Herren! Ich bin ursprünglich davon ausgegangen, dass wir heute über Abfangjäger diskutieren. Es ist auch am Rande über Abfangjäger diskutiert worden; ich werde selbstverständlich auf das Thema zurückkommen, weil das nicht nur die Geschäftsordnung, sondern auch die Erwartung vieler Zuhörerinnen und Zuhörer gebietet, aber ich möchte trotz­dem auf einige Punkte der Generaldebatte eingehen.

Wenn ich die Abgeordneten der Regierungsparteien richtig verstanden habe, dann haben sie hier und heute angekündigt, den Weg von Knittelfeld fortzuführen. Die Frage ist: Wohin soll dieser Weg führen? Wohin soll dieser Weg mit einer Freiheitlichen Partei führen, die offen­sichtlich in Knittelfeld an ihrem politischen Ziel angelangt ist? Warum mussten wir wählen und drei Monate lang verhandeln, wenn wir am Schluss draufkommen, dass möglicherweise das Ziel der vergangenen Koalitionsverhandlungen die letzte Wiederbelebung dieser Koalition war?

Wir Grüne haben von vornherein gesagt: Wenn wir Regierungsverhandlungen führen, dann führen wir diese Regierungsverhandlungen ernsthaft. Dann führen wir sie ernsthaft mit einem einzigen Ziel, nämlich möglichst gemeinsam eine Regierung zu bilden.

Vieles in den Verhandlungen mit der ÖVP hat für uns darauf hingedeutet, dass es in großen Teilen der ÖVP eine Bereitschaft dazu gibt, ein neues politisches Projekt zu überlegen, vor­zubereiten und – wenn es genug an Gemeinsamkeiten gibt – auch umzusetzen, weil wir eben nicht wieder eine Freiheitliche Partei in der Regierung wollten, weil wir nicht dieses Maß an Instabilität, an Unberechenbarkeit, aber auch an Inhalten, die uns an den rechten Rand Euro­pas drängen, noch eine weitere Legislaturperiode haben wollten.

Deswegen haben wir gesagt – und das war eines unserer Hauptmotive –: Okay, setzen wir uns zusammen und verhandeln wir. Verhandeln wir ein erstes Mal jenseits traditioneller politischer Lager und nehmen wir zur Kenntnis, dass es neben der SPÖ für die Grünen noch eine zweite Partei gibt, mit der es sich zumindest zu verhandeln lohnt! Und es hat sich eine Woche lang gelohnt.

Ich halte auch hier im Nationalrat fest, beim Integrations- und Asylpaket, das wir gemeinsam hätten beschließen können, wäre mehr drinnen gewesen, als es bis heute je mit den Sozial­demokraten möglich war. Es wäre auch in der Ökologie einiges möglich gewesen, es wäre auch in der Europapolitik und auch – zur Überraschung mancher von uns – in der Sicherheitspolitik einiges drinnen gewesen.

Dann ist die letzte lange Nacht gekommen, über die so viel öffentlich berichtet worden ist. Es gibt politische Inhalte, die nicht nur für einzelne Parteien, sondern für die gesamte Be­völke­rung – zu Recht oder zu Unrecht – Symbole sind. Eines dieser Symbole ist: abschieben, wenn man nicht ordentlich Deutsch lernt, Zwangsabschiebungen für Menschen, die ihre Deutschkurse nicht absolvieren.

Nicht nur ich war überrascht, dass der Bundeskanzler uns Grünen in dieser langen Nacht zuge­mutet hat, permanente Menschenrechtsverletzungen der schlimmsten Art zu unterschreiben und dann in einer Regierung umzusetzen. Niemand in der ÖVP konnte ernsthaft annehmen, dass wir Grüne das unterschreiben können, Abschiebungen dulden, wenn die freiheitliche Auf­forderung „Lernt ordentlich Deutsch!“ in Einzelfällen nicht befolgt wird. Wenn die Leute nicht gleich in einen Deutschkurs laufen und es freiheitliche Drohungen mit Strafe gibt, dann sollen wir Grüne sagen, okay, abschieben? (Abg. Dr. Strasser: Das ist keine Abschiebung! Abschie­bung gibt es in diesem Fall nicht!)

Das geht nicht, Herr Dr. Schüssel! Das wissen Sie, und Sie wussten ganz genau, dass es voll­kommen unmöglich ist, dass es dafür eine Zustimmung von den Grünen gibt.

 


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