Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 144

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Erstens erfüllen einige Dienstleistungen vor allem eine volkswirtschaftliche Querschnittsfunktion und stellen die Basis für mehrere Branchen dar, zum Beispiel Telekommunikation, Internet, elektronischer Handel et cetera.

Sie haben aber auch eine ganz wichtige gesellschaftspolitische Bedeutung im Sinne der Sicherstellung der Daseinsvorsorge, also eine gesellschaftspolitische Bedeutung, die über die ökonomische Funktion hinausgeht, zum Beispiel im Bildungsbereich und im Gesund­heits­bereich, aber auch in den Bereichen der Wasserver- und -entsorgung, Müllentsorgung et cetera.

Ein dritter Punkt, der den Handel mit Dienstleistungen so besonders relevant für die Gesell­schaft macht, ist, dass hier eine besondere Personennähe gegeben ist. Das ist ganz anders als bei Gütern, mit denen gehandelt wird. Bei den Dienstleistungen sind die Menschen, die daran beteiligt sind, so notwendig, und es geht auch um die Menschen, die es dann betrifft, ob sie den Zugang zum Spital, zum Arzt/zur Ärztin, zum Bildungssystem haben, ob die Wasserversorgung funktioniert oder nicht, wenn sie weit entfernt leben und vielleicht nicht so viel Geld haben, es sich leisten zu können.

Dies sind einige Gründe dafür, dass der Handel mit den Dienstleistungen in vielen Ländern, vor allem in Europa, aber auch in einigen Entwicklungsländern, stärker innerstaatlich reguliert ist als der Handel mit Gütern. Und das ist zu Recht so, denn damit wird sozusagen festgehalten, dass der Staat mitbestimmt, dass diese Daseinsvorsorge für alle Menschen in diesem Staat gewährleistet werden kann, dass nicht nur die Interessen einzelner Konzerne, die vor allem gewinnorientiert und nicht vorsorgungsorientiert arbeiten, beachtet werden. (Beifall bei den Grünen.)

Das Problem beim GATS ist auch, dass die Liberalisierungen, die einmal in Kraft getreten sind, nicht mehr – oder fast nicht mehr – rückgängig gemacht werden können. Wenn ein Land draufkommt, dass zu viel liberalisiert wurde, ist eine Umkehr nur mehr möglich, wenn hohe Kompensationszahlungen geleistet werden und gleichzeitig ein anderer Bereich angeboten wird. – Das ist also in der Realität äußerst schwer möglich.

Warum haben wir jetzt die Besprechung dieser Anfragebeantwortung verlangt? – In der Anfragebeantwortung ging es vor allem um die öffentliche Information, um die Information des Parlaments. Es stimmt, was in der Anfragebeantwortung erwähnt wurde, dass mittlerweile einiges an Informationen auch in den Klubs eingelangt ist, aber erst, so behaupte ich, nachdem wir und auch zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen großen Druck gemacht haben, damit eine etwas offenere und öffentlichere Debatte darüber stattfindet, was Österreich und die Euro­päische Union zur Liberalisierung anbieten werden und in welchen Bereichen andere Staaten von uns – von Österreich und von der EU – sozusagen die Öffnung des Dienstleistungssektors wollen.

Herr Minister Bartenstein! In der Sitzung des EU-Unterausschusses am 27. Jänner haben Sie – ich zitiere aus Ihrer eigenen Aussendung von damals – gesagt, für betroffene Ressorts und Sozialpartner fänden regelmäßig Koordinierungssitzungen im Wirtschaftsministerium statt, eben­so regelmäßig würden Informationsveranstaltungen sowohl für die Parlamentsklubs als auch für NGOs veranstaltet. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Minister! Genau da sehen wir schon das große Problem: Für die Ressorts und sogar für die Sozialpartner gibt es Koordinierungssitzungen, mit dem Parlament gibt es Informations­veranstaltungen  –  Sektionschef Mayer ist sehr bemüht, auch die Abgeordneten zu informieren –, aber im Parlament die Inhalte zu debattieren und im demokratisch gewählten Nationalrat darüber zu entscheiden, was Österreich anbieten soll und was die österreichische Bundes­regierung in der Europäischen Kommission vertreten soll, was die EU anbieten oder eben nicht anbieten soll, das ist bisher nicht geschehen. Herr Minister! Wir fordern diese Debatte ein. (Bei­fall bei den Grünen.)

 


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