Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 7. Sitzung / Seite 75

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich komme schon noch zu einigen Inhalten, meine Damen und Herren, auch wenn ich sagen muss, dass es natürlich bedauerlich ist, dass man als Oppositionspolitiker nur zwanzig und nicht siebzig Minuten Redezeit zur Verfügung hat, aber ich bin als Redner kurzer Debatten­beiträge bekannt, ich werde meine Zeit wahrscheinlich gar nicht ausschöpfen.

Man fragt sich natürlich angesichts dieses Hintergrundes: Gibt es überhaupt eine „blaue Hand­schrift“ in diesem Regierungsprogramm oder in der Regierungserklärung, oder gibt es das nicht? (Abg. Dolinschek:Hackler-Regelung“!) – Ein bisschen etwas gibt es schon. Die so ge­nannte „Hackler-Regelung“, Herr Kollege, wäre in jedem Regierungsprogramm in der einen oder anderen Form vorgekommen. (Abg. Dolinschek: Bei Ihnen nicht!) – Mit Sicherheit bei uns auch, das dürfen Sie sich nicht gerade anrechnen.

Was Sie sich aber anrechnen dürfen, das ist das komplette Fehlen eines positiven Ansatzes im Bereich der so genannten Integrationspolitik. Da ist nichts mehr von einer erleichterten Form der Erlangung der Doppelstaatsbürgerschaft, da ist nichts mehr von Familienzusammenfüh­rung, da ist nichts mehr von Abschaffung der Quote beim Familiennachzug und da ist nichts mehr von „Aufenthaltsbewilligung ist gleich Arbeitsbewilligung“, zu lesen.

Der ÖVP war das offensichtlich egal, den Freiheitlichen war das wichtig, und deswegen steht es nicht im Regierungsprogramm. Bei uns wäre das enthalten gewesen, es wäre für uns ein wichtiger Punkt gewesen. Da geht es immerhin um bestimmte Grundwerte im Bereich der Bürgerrechte und Menschenrechte. Wir kennen die Positionen der FPÖ auf diesen Gebieten hinreichend. Aber dass der ÖVP – wie sich zeigt – das völlig egal ist, das verstehe ich nicht. – Eines war schon interessant: Einerseits war das Gegenstand in den Verhandlungen mit den Grünen, andererseits wurde das auch in den Verhandlungen mit der FPÖ besprochen, aber dort ist das binnen zwei Tagen ersatzlos aus dem Programm rausgeflogen, als ob das nichts wäre.

Ich frage die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Ist diese Art von Beliebigkeit, dass Positio­nen im Bereich bestimmter Grundwerte binnen Stunden völlig austauschbar sind, die Politik der Mitte? Ist das die Politik der Mitte, die Sie immer beschwören? Das ist die Politik einer Beliebig­keit, einer prinzipienlosen Beliebigkeit, die ich nicht nachvollziehen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ein anderer Punkt, bei dem sich die FPÖ binnen weniger Stunden durchgesetzt hat, betrifft die Bestellung der Uni-Räte; das wurde schon erwähnt. (Abg. Dr. Jarolim: Zukunftsweisende Besetzung!) Sie halten Leute, die sich – wie war das? – der „deutschen Minderheit in Öster­reich“ zugehörig fühlen und daraus offenbar einen wesentlichen Teil ihrer persönlichen Identität schöpfen (Abg. Öllinger: „Zukunftsfest“!), für zukunftsträchtig, zukunftsfest, für tauglich, die Universitätspolitik im 21. Jahrhundert – nicht 1850 – mitzubestimmen. (Abg. Öllinger: Deutsch­national!) An dieser Art von Geisteshaltung ist schon die Habsburger-Monarchie zugrunde gegangen. Ich hoffe, dass die Universitäten des 21. Jahrhunderts stabil genug sind, um das auszuhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist zum Teil nicht uninteressant, die Regierungserklärung mit dem Regierungsprogramm, mit dem Koalitionsübereinkommen zu vergleichen. Das ist nicht identisch. Natürlich ist es ziemlich ähnlich, aber identisch ist es nicht.

Ich bin aber dankbar, dass uns zwei Peinlichkeiten, die im Koalitionsübereinkommen stehen, heute in der Regierungserklärung von Seiten des Herrn Bundeskanzlers erspart blieben. Für die breite Öffentlichkeit möchte ich jedoch anmerken, womit sich im Kapitel „EU-Politik“, das immer­hin im Koalitionsübereinkommen ganz vorne steht, die ersten zwei Absätze betreffend die öster­reichische EU-Politik der Zukunft beschäftigen. Wo, glauben Sie, liegen die Prioritäten, die prioritären Wichtigkeiten des Engagements der österreichischen Außenpolitik innerhalb der Europäischen Union? (Abg. Dr. Gusenbauer: In der Schutzfunktion!) – In der Schutzfunktion für Südtirol!

Damit kein Missverständnis entsteht, Herr Khol: Ich bin auch Tiroler, ich weiß, wie wichtig Süd­tirol für die österreichische Politik ist und war, muss aber doch sagen: Dass wir besondere Pro-


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite