Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 8

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nen vertritt. Die GRÜNÖ-Spitzenkandidatin und ehemalige Proponentin des Anti-EU-Volksbe­gehrens W. bewegt sich dabei regelmäßig im Dunstkreis obskurer Organisationen wie etwa dem „Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis“, dem im „Lexikon der Sekten“ (Herder) „...sektenhafte Züge nachgewiesen werden“, und anderer rechtskonservativer Bewegungen, die wiederum gute Kontakte mit Revisionisten und Rechtsextremisten pflegen. Nicht zuletzt tat sich die GRÜNÖ-Spitzenkandidatin. immer wieder mit einschlägigen Zitaten hervor, die bezeichnend sind für die Geisteshaltung ihrer Gruppierung: so bezeichnete sie die Europäische Union als „Völker-Kerker“ („Krone“, 24.4.02), „Diktatur“ („Die Presse“ v. 22.02.2003) und zuletzt als „kapitalistisches Kriegsprojekt“ und die EU-Erweiterung als „Ostfeld­zug des Vierten Reichs“ (beides in „Die Presse“ v. 4.3.2003).

Umso überraschender war es daher, dass ausgerechnet Vertreter der „Europa-Partei“ ÖVP ihre Sympathie für eine derartig europafeindliche Gruppierung entdeckten: im Vorfeld der nieder­österreichischen Landtagswahlen leisteten zahlreiche VertreterInnen der niederösterreichischen Volkspartei Unterstützungserklärungen für die nunmehr plötzlich unter dem Namen „GRÜNÖ“ auftretende Gruppierung, um ihr die Kandidatur zu ermöglichen. So unterzeichneten beispiels­weise in der Gemeinde Purgstall u.a. VP-Bürgermeister Franz Ressl, Vizebürgermeister Ferdi­nand Bachler sowie eine Reihe anderer VP-Funktionäre und Personen aus dem unmittelbaren Umfeld der Gemeindeverwaltung. Ein ähnliches Bild ergibt ein Blick in andere Gemeinden, wo Familienmitglieder, Nachbarn etc. von VP-Bürgermeistern Unterstützungserklärungen abgaben. Der Verdacht, dass es sich hierbei um eine konzertierte Aktion der ÖVP handelte, die geplant und durchgeführt wurde, um durch die Verwechslungsgefahr bzw. den Eindruck zweier konkur­rierender Listen den Grünen zu schaden, ist mehr als naheliegend.

In 5 Wahlkreisen erhielt „GRÜNÖ“ durch diese VP-Aktion die ausreichende Anzahl an Unter­stützungserklärungen, nicht wenige davon von ÖVP-FunktionärInnen. Die Kandidatur in den restlichen 16 Wahlkreisen wurde ermöglicht, indem die FPÖ-Landtagsabgeordneten Ram, Hrubesch und Waldhäusl mit ihrer Unterstützungs-Unterschrift das Sammeln weiterer Unterstüt­zungserklärungen überflüssig machten. Somit ermöglichte ein gemeinsames schwarz-blaues Vorgehen die Kandidatur dieser EU-feindlichen Liste.

Und ein gemeinsames schwarz-blaues Vorgehen ermöglichte in der zuständigen Wahlbehörde, dass sich die obskure LEO-Liste in einer Kurzbezeichnung auf dem Stimmzettel wiederfindet, die der seit Jahren gebräuchlichen Kurzbezeichnung der Grünen zum Verwechseln ähnlich ist: Die niederösterreichische Landeswahlordnung verlangt als einen Bestandteil von Wahlvorschlä­gen „die unterscheidbare Parteibezeichnung in Worten und eine allfällige Kurzbezeichnung in Buchstaben“. § 43 regelt ein Verfahren für den Fall, dass „mehrere Wahlvorschläge dieselben oder schwer unterscheidbare Parteibezeichnungen tragen“. Entscheidend ist dabei laut Judika­tur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 8848) die „Maßgeblichkeit des Gesamtbildes der Par­teibezeichnung“: diese sei als unteilbares Ganzes aufzufassen, wobei auf das Bestehen einer Verwechslungsgefahr nach allgemeiner Lebenserfahrung abgestellt wird. In diesem Zusammen­hang sei erwähnt, dass der aus dem B-VG ableitbare Grundsatz des „freien Wahlrechtes“ implizit beinhaltet, dass die politische Willensbildung dem wahren Wählerwillen entsprechen soll. In diesem Sinne führen die Materialien zu § 44 NRWO (873 BlgNR 5.GP, S. 5) aus, dass es dem öffentlichen Interesse widersprechen würde, wenn die Wähler durch Täuschung nicht ihren wahren Willen zum Ausdruck bringen könnten. Eine auf die Langbezeichnung der Parteien beschränkter Vergleich könnte dem Grundsatz freien Wahlrechtes nicht Rechnung tragen, seien doch auf dem Wahlzettel abgedruckte Kurzbezeichnungen von Parteien zweifellos geeignet, das Wahlverhalten massiv zu beeinflussen.

Im konkreten Fall hätte daher insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Kurzbezeich­nungen auf dem Stimmzettel größer und fett gedruckt sind besonderes Augenmerk darauf gelegt werden müssen, dass auch bei den Kurzbezeichnungen keine Verwechslungsgefahr besteht. Die Kurzbezeichnungen GRÜNE und GRÜNÖ unterscheiden sich aber nur durch einen (den letzten) Buchstaben, der zumal phonetisch ähnlich klingt. In einem ähnlich gelagerten Fall hat der VfGH aber einer Wahlanfechtung stattgegeben, weil so stellte das Höchstgericht fest der Verwechselbarkeit der Kurzbezeichnungen KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) und KB (Kommunistischer Bund Österreichs) auch im Hinblick auf den allgemeinen Sprachgebrauch


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