Der Weg zu diesem
Krieg, meine Damen und Herren – ich will das sehr offen
aussprechen –, ist letztlich auch eine Kette von vielen gravierenden
politischen Fehleinschätzungen: Saddam Hussein rechnete offensichtlich damit,
sein Spiel im Ausspielen der Staatengemeinschaft gegeneinander endlos
fortsetzen zu können. Die Amerikaner unterschätzten die Bereitschaft einiger
Mitglieder des Sicherheitsrates, bei ihrem kompromisslosen Nein zu einer
militärischen Aktion zu bleiben. Und diese wiederum unterschätzten die
Entschlossenheit der USA, die in der Resolution 1441 angedrohten
schwerwiegenden Konsequenzen auch ohne ausdrückliche Autorisierung des
Weltsicherheitsrates in die Tat umzusetzen.
Der Weg zu diesem
Krieg ist daher auch eine Geschichte von Fehleinschätzungen und eines
Scheiterns der Politik. Ich glaube, dass wir uns das auch eingestehen und der
Öffentlichkeit gegenüber vertreten müssen, dass wir zugleich aber auch den
Menschen Mut machen und ihnen klarmachen müssen, dass wir eine Lehre ziehen aus
dieser Bitterkeit, die viele Menschen erfasst hat.
Noch etwas möchte
ich ansprechen: Die Medien spielen in diesem Krieg eine Rolle wie noch nie
zuvor in der Geschichte. Sie tragen den Krieg mit all seinen Grausamkeiten in
unsere Wohnzimmer. Auch hier sind wir gefordert, dafür zu sorgen, dass nicht
die Grenzen der Menschlichkeit und der Menschenwürde überschritten werden. Von
der notwendigen Information zur Bedienung der Schaulust, von der objektiven
Berichterstattung zur Manipulation, vom notwendigen Korrektiv zum Werkzeug der
Propaganda ist es oft nur ein kleiner Schritt.
Meine Damen und
Herren und liebe Zuseher an den Fernsehapparaten! Der Nationale Sicherheitsrat
hat in diesen Tagen – und das halte ich für sehr, sehr wichtig – eine
gemeinsame Linie Österreichs auf der Basis der Schlussfolgerungen des
Europäischen Rates, der in der Vorwoche stattgefunden hat, festgelegt. Damit
ist uns gemeinsam etwas sehr Wichtiges gelungen: Österreich spricht in dieser
kritischen Situation mit einer Stimme! (Allgemeiner Beifall.)
Das ist richtig,
das ist gut, und dafür möchte ich auch allen hier im Hohen Haus vertretenen
politischen Parteien ausdrücklich danken. Wenn es um derart fundamentale
Fragen des Weltfriedens, des Völkerrechts, der Sicherheit geht, dann brauchen
wir diesen rot-weiß-roten Konsens!
Und das ist kein
verwaschener Kompromiss. Wir haben auf dem Beschluss vom 29. Jänner aufgebaut
und uns, so glaube ich, mit Erfolg darum bemüht, die europäische Verantwortung
und unsere eigenen legitimen Sicherheitsbedürfnisse mit einzubinden. Wir halten
daran fest, dass militärische Aktionen die Ermächtigung des
Weltsicherheitsrates voraussetzen. Wir bekräftigen, dass das neutrale
Österreich an keinerlei militärischen Operationen gegen den Irak beteiligt sein
wird und auch keine Überflugsrechte einräumt.
Wir geben vor
allem der Wiederherstellung der vollen Autorität der Vereinten Nationen besondere
Priorität. Nur die UNO als Einzige kann letztlich in der Lage sein, glaubhaft
möglichst bald nach Ende der Kampfhandlungen die volle Verantwortung für den
Aufbau demokratischer Strukturen und den Schutz der ethnischen und religiösen
Minderheiten – natürlich unter Wahrung der territorialen Integrität des
Irak – zu übernehmen.
Wir wollen im
Rahmen der Europäischen Union und der UNO alles unternehmen, um den
Minderheiten – vor allem etwa den Kurden im Nord-Irak – zumindest
jenes Maß an Autonomie zu garantieren, dass sie sich zu Recht unter großen
Mühen erkämpft haben. Es ist wichtig, dass wir Europäer diesem Volk, das ja so
oft von wirklichen oder vermeintlichen Bündnispartnern enttäuscht wurde, hier
zur Seite stehen. (Allgemeiner Beifall.) Es ist auch die türkische Regierung
aufzufordern, jedes militärische Eindringen auf irakisches Staatsgebiet zu
unterlassen.
Meine Damen und Herren! Wir beobachten mit großer Sorge die wachsenden Spannungen in der arabischen Welt, und zwar zwischen den arabischen Staaten einerseits, aber auch zwischen den arabischen Staaten und der westlichen Welt andererseits. Wir glauben daher, der Dialog mit der arabischen Welt muss gefördert werden. Es muss auch dem Eindruck gegengesteuert werden, dass die Weltgemeinschaft mit unterschiedlichen Maßstäben, was die Notwendigkeit der Einhaltung von völkerrechtlich bedeutsamen Resolutionen betrifft, misst. Ich