Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 10. Sitzung / Seite 37

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Der Weg zu diesem Krieg, meine Damen und Herren – ich will das sehr offen aussprechen –, ist letztlich auch eine Kette von vielen gravierenden politischen Fehleinschätzungen: Saddam Hussein rechnete offensichtlich damit, sein Spiel im Ausspielen der Staatengemeinschaft ge­geneinander endlos fortsetzen zu können. Die Amerikaner unterschätzten die Bereitschaft einiger Mitglieder des Sicherheitsrates, bei ihrem kompromisslosen Nein zu einer militärischen Aktion zu bleiben. Und diese wiederum unterschätzten die Entschlossenheit der USA, die in der Resolution 1441 angedrohten schwerwiegenden Konsequenzen auch ohne ausdrückliche Auto­risierung des Weltsicherheitsrates in die Tat umzusetzen.

Der Weg zu diesem Krieg ist daher auch eine Geschichte von Fehleinschätzungen und eines Scheiterns der Politik. Ich glaube, dass wir uns das auch eingestehen und der Öffentlichkeit ge­genüber vertreten müssen, dass wir zugleich aber auch den Menschen Mut machen und ihnen klarmachen müssen, dass wir eine Lehre ziehen aus dieser Bitterkeit, die viele Menschen er­fasst hat.

Noch etwas möchte ich ansprechen: Die Medien spielen in diesem Krieg eine Rolle wie noch nie zuvor in der Geschichte. Sie tragen den Krieg mit all seinen Grausamkeiten in unsere Wohnzimmer. Auch hier sind wir gefordert, dafür zu sorgen, dass nicht die Grenzen der Menschlichkeit und der Menschenwürde überschritten werden. Von der notwendigen Informa­tion zur Bedienung der Schaulust, von der objektiven Berichterstattung zur Manipulation, vom notwendigen Korrektiv zum Werkzeug der Propaganda ist es oft nur ein kleiner Schritt.

Meine Damen und Herren und liebe Zuseher an den Fernsehapparaten! Der Nationale Sicher­heitsrat hat in diesen Tagen – und das halte ich für sehr, sehr wichtig – eine gemeinsame Linie Österreichs auf der Basis der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, der in der Vor­woche stattgefunden hat, festgelegt. Damit ist uns gemeinsam etwas sehr Wichtiges gelungen: Österreich spricht in dieser kritischen Situation mit einer Stimme! (Allgemeiner Beifall.)

Das ist richtig, das ist gut, und dafür möchte ich auch allen hier im Hohen Haus vertretenen poli­tischen Parteien ausdrücklich danken. Wenn es um derart fundamentale Fragen des Weltfrie­dens, des Völkerrechts, der Sicherheit geht, dann brauchen wir diesen rot-weiß-roten Konsens!

Und das ist kein verwaschener Kompromiss. Wir haben auf dem Beschluss vom 29. Jänner auf­gebaut und uns, so glaube ich, mit Erfolg darum bemüht, die europäische Verantwortung und unsere eigenen legitimen Sicherheitsbedürfnisse mit einzubinden. Wir halten daran fest, dass militärische Aktionen die Ermächtigung des Weltsicherheitsrates voraussetzen. Wir bekräftigen, dass das neutrale Österreich an keinerlei militärischen Operationen gegen den Irak beteiligt sein wird und auch keine Überflugsrechte einräumt.

Wir geben vor allem der Wiederherstellung der vollen Autorität der Vereinten Nationen beson­dere Priorität. Nur die UNO als Einzige kann letztlich in der Lage sein, glaubhaft möglichst bald nach Ende der Kampfhandlungen die volle Verantwortung für den Aufbau demokratischer Strukturen und den Schutz der ethnischen und religiösen Minderheiten – natürlich unter Wah­rung der territorialen Integrität des Irak – zu übernehmen.

Wir wollen im Rahmen der Europäischen Union und der UNO alles unternehmen, um den Minderheiten – vor allem etwa den Kurden im Nord-Irak – zumindest jenes Maß an Autonomie zu garantieren, dass sie sich zu Recht unter großen Mühen erkämpft haben. Es ist wichtig, dass wir Europäer diesem Volk, das ja so oft von wirklichen oder vermeintlichen Bündnispartnern enttäuscht wurde, hier zur Seite stehen. (Allgemeiner Beifall.) Es ist auch die türkische Regie­rung aufzufordern, jedes militärische Eindringen auf irakisches Staatsgebiet zu unterlassen.

Meine Damen und Herren! Wir beobachten mit großer Sorge die wachsenden Spannungen in der arabischen Welt, und zwar zwischen den arabischen Staaten einerseits, aber auch zwi­schen den arabischen Staaten und der westlichen Welt andererseits. Wir glauben daher, der Dialog mit der arabischen Welt muss gefördert werden. Es muss auch dem Eindruck ge­gengesteuert werden, dass die Weltgemeinschaft mit unterschiedlichen Maßstäben, was die Notwendigkeit der Einhaltung von völkerrechtlich bedeutsamen Resolutionen betrifft, misst. Ich


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