Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 12. Sitzung / Seite 141

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Ich kann Ihnen aber die Argumente, die gegen die Abschaffung des Jugendgerichtshofes vor­ge­bracht wurden, nennen, und das werde ich auch tun. So viel Zeit muss heute sein, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen.

Herr Miedl, weil Sie immer von Graz reden und es so darstellen, als wäre dort die Welt heil: Wis­sen Sie, was in Wien nach 15 Uhr im Grauen Haus los ist? – 1 300 Gefangene und 35 Be­amtinnen und Beamte, die dort arbeiten. 1 300 Häftlinge und 35 Posten, die besetzt sind! – Und das halten Sie für einen menschenwürdigen und perfekten Jugendstrafvollzug?

Herr Miedl! Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen jetzt Folgendes sage, aber das muss ich, nach­dem ich Ihnen vorhin zugehört habe: Sie haben überhaupt keine Ahnung, was sich hier in Wien abspielt! (Beifall bei den Grünen.) Gut, Sie sind ein steirischer Abgeordneter, aber dann lassen Sie uns Wiener Abgeordneten doch das Recht auf etwas, was weltweit ein Vorbild war!

Der Wiener Jugendgerichtshof hat Österreich in der ganzen Welt Ruhm und Anerkennung ge­bracht, aber der Herr Minister schafft ihn ab und zerschlägt diese Strukturen. Kollege Miedl, lassen Sie uns die Argumente vorbringen, mit denen wir uns gegen diese Maßnahme wehren! (Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.) Da werde ich nämlich auch böse, wenn Sie so tun, als wären Sie der Einzige, der etwas von Jugendlichen und jugendlichen Straftätern verstünde.

Zugegeben, ich bin keine Gendarmeriebeamtin oder Polizistin, aber ich bin im Gegensatz zu Ihnen schon eine Zeit lang in der Justizpolitik tätig, und ich weiß, was da in den letzten Jahren pas­siert ist. Das, was da jetzt passiert, ist, Herr Minister – ich habe es dem Herrn Minister schon im Ausschuss gesagt –, eine Groteske! Das ist eine Groteske erster Ordnung, die sich zwischen Ihnen und dem ehemaligen Präsidenten des Jugendgerichtshofes Jesionek abspielt, um es personifiziert zu sagen.

Gut, jetzt könnte ich sagen, zwei Männer haben da sozusagen ein Problem – aber das wird auf dem Rücken des Wiener Jugendgerichtshofs und der Wiener Jugendgerichtshilfe ausgetragen, und das ist schändlich, Herr Miedl! Das ist schändlich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Jetzt komme ich zu den Fakten: Das alles ist ja schon passiert. Das, was wir heute tun, ist so­zu­sagen ein gesetzliches Nachwassern. Die Fakten sind ja längst geschaffen. Wir hatten dan­kens­werterweise auf Grund einer Initiative der SPÖ Gelegenheit, jene Damen und Herren, die wirklich Fachwissen haben – ich will nicht sagen, im Gegensatz zu Herrn Miedl, aber jedenfalls im Gegensatz zu mir, denn ich bin keine Expertin –, anzuhören, also zu hören, was dort pas­siert.

Und das möchte ich Ihnen in Kurzfassung bringen, denn es war bedauerlicherweise kein ein­ziger Abgeordneter einer Regierungspartei bei dieser interessanten Veranstaltung, bei der man Fakten hören konnte, und zwar von jenen Experten, die sozusagen am lebenden Objekt tätig sind, nämlich mit den Jugendlichen arbeiten.

Eine Jugendrichterin, Frau Rätin Dr. Matschnig, hat dort ausgesprochen, was passiert. Sie hat das zwar nicht wörtlich so gesagt, das sind jetzt meine Worte – ich möchte sie nicht irgendwie ins falsche Licht stellen –, aber: Täglich wird das Gesetz gebrochen, nämlich das Jugendge­richts­gesetz. Das wird dort täglich mit Wissen des Herrn Bundesministers gebrochen, weil näm­lich gerade die wichtigen Voraussetzungen fehlen, weil zum Beispiel die notwendige Trennung von Erwachsenen und Jugendlichen im Grauen Haus nicht möglich ist.

Das ist ein täglicher Gesetzesbruch. Herr Minister, ich fordere Sie auf: Stellen Sie ihn ab! Sie ha­ben diesen täglichen Gesetzesbruch zu verantworten, weil Sie die Bediensteten des Jugend­ge­richtshofes und die Justizwachebeamten in diese Situation getrieben haben. Das ist dort Realität!

Dabei rede ich nicht von Absonderungszellen und Korrektionszellen, in die Jugendliche ge­steckt werden – das klammere ich jetzt aus –, sondern ich rede von der alltäglichen Situation, in der sich diese jungen Leute befinden. Da wäre wirklich Resozialisierung angebracht.

 


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