Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 14. Sitzung / Seite 174

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19.43


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Gleiche Pflichten, gleiche Rechte – darunter kann man unseren zweiten, die Senkung des Wahlalters betreffenden Antrag subsumieren. Wir leben in einem System, in dem wir mit sechs Jahren in die Schule kommen. Nach neun Pflichtschuljahren kann man arbeiten gehen, ist man alt genug, um Steuern zu zahlen – und da sollte man eigentlich auch alt genug sein, mitbestimmen zu können, was mit den Steuern geschieht und was mit dem Geld geschieht, das man in soziale Versicherungs­systeme einbezahlt, et cetera. Wenn ich 6, 6,5 und 9 zusammenrechne, ergibt das 15, 15½. Dann wäre also 16 der Zeitpunkt, zu dem in unserem Land jeder vom Gesetz her arbeiten gehen könnte und zu dem in der Regel auch sehr viele arbeiten gehen und damit auch weit reichende ... (Abg. Neudeck: Wollen Sie vielleicht die Kinderarbeit, damit die früher wählen gehen können?)

Also bei 16-Jährigen reden wir nicht mehr von Kindern, da reden wir von jungen Erwachsenen. Wenn 16-Jährige alt genug sind, um arbeiten zu gehen, müssen sie auch alt genug sein, um wählen zu dürfen und mitzubestimmen, was geschieht.

Die Erfahrungen, die wir im Burgenland, aber auch in Graz gemacht haben, waren sehr positiv: eine sehr hohe Wahlbeteiligung bei den Jungen, eine sehr kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten aller Parteien im Vorfeld der Wahl. Insofern ist es ein wesentlicher Punkt, dass wir das auch umsetzen.

Zum zweiten Punkt des zweiten Antrags: Genauso sollten auch ausländische Staatsbürger bei gleichen Pflichten gleiche Rechte erhalten, also auch das Wahlrecht in allen ihren Interes­senvertretungen haben, und zwar sowohl aktiv als auch passiv. Das ist auch ein Punkt, der schon lange eingefordert wird und wo es endlich an der Zeit ist, das zu tun.

Wenn man hört, dass die Leute mitunter nicht reif genug dafür seien, so gibt es dazu zwei Dinge zu sagen: Erstens haben wir in Österreich keine Wahlpflicht, sondern ein Wahlrecht, das heißt, wenn jemand der Meinung ist, er ist mit 16, 17 noch nicht reif genug, persönlich diese Entscheidung zu treffen, dann zwingt ihn ja keiner, zur Wahl zu gehen, denn es ist ein Recht und keine Pflicht. Diejenigen jedoch, die der Meinung sind, sie können und wollen diese Entscheidung treffen, sollten auch die Möglichkeit haben, diese Entscheidung zu treffen.

Das ist natürlich auch eine Frage der Reife. Wenn Sie sagen, Sie hätten kein Land gefunden, in dem das möglich ist: Vor etwas mehr als 100 Jahren hätten Sie auch kein Land gefunden, in dem Frauen wählen hätten dürfen. Vielleicht war das damals auch ein Argument, das in der Diskussion vorgebracht wurde. Aber es hat sich dann doch gezeigt, dass da ein Land eben einmal vorangegangen ist, und es hat dann noch bis 1970 gedauert, bis auch die Schweiz in diesem Punkt nachgezogen hat. Ich weiß nicht, ob wir in dieser Frage Vorreiter sein wollen, ein Vorreiter in Sachen Demokratie – oder ein Nachzügler. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Das ist keine Frage der Demokratie!)

Die Frage ist weniger, ob die 16- und 17-Jährigen reif genug sind, um solche Entscheidungen zu treffen, sondern ob Sie reif genug sind, ihnen heute bereits diese Möglichkeit zu geben – oder ob wir noch ein paar Jahre warten müssen, bis auch Sie das einsehen und bereit sind, in diesem Punkt nachzugeben. Das wird kommen. Und wenn Sie heute noch nicht reif genug dafür sind – wir sind es! –, dann werden Sie es vielleicht in ein paar Jahren sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Murauer: Und wie ist es bei der Briefwahl?)

Zum ersten Antrag: Zehntausende Jugendliche, noch dazu Volljährige, durften bei der letzten Nationalratswahl nicht wählen, und zwar deswegen nicht, weil der Stichtag immer der 1. Jänner des Wahljahres ist. Das ist vor zirka zehn Jahren so eingeführt worden; das hatte auch mit Administrierbarkeit zu tun. Für mich ist das allerdings ein Rätsel. Vor zehn Jahren, als die Wählerverzeichnisse noch auf Karteikarten geführt wurden, war eine Stichtagsregelung mög­lich, die ihn zirka 60 Tage vor einer Wahl festlegte. Und jetzt im Zeitalter der EDV kann das nur noch einmal im Jahr gemacht werden?! – Das ist lächerlich!

 


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