19.43
Abgeordneter
Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus!
Gleiche Pflichten, gleiche Rechte – darunter kann man unseren zweiten, die
Senkung des Wahlalters betreffenden Antrag subsumieren. Wir leben in einem
System, in dem wir mit sechs Jahren in die Schule kommen. Nach neun
Pflichtschuljahren kann man arbeiten gehen, ist man alt genug, um Steuern zu
zahlen – und da sollte man eigentlich auch alt genug sein, mitbestimmen zu
können, was mit den Steuern geschieht und was mit dem Geld geschieht, das man
in soziale Versicherungssysteme einbezahlt, et cetera. Wenn ich 6, 6,5 und 9
zusammenrechne, ergibt das 15, 15½. Dann wäre also 16 der Zeitpunkt, zu dem in unserem Land jeder vom
Gesetz her arbeiten gehen könnte und zu dem in der Regel auch sehr viele
arbeiten gehen und damit auch weit reichende ... (Abg. Neudeck:
Wollen Sie vielleicht die Kinderarbeit, damit die früher wählen gehen können?)
Also bei
16-Jährigen reden wir nicht mehr von Kindern, da reden wir von jungen
Erwachsenen. Wenn 16-Jährige alt genug sind, um arbeiten zu gehen, müssen sie
auch alt genug sein, um wählen zu dürfen und mitzubestimmen, was geschieht.
Die Erfahrungen,
die wir im Burgenland, aber auch in Graz gemacht haben, waren sehr positiv:
eine sehr hohe Wahlbeteiligung bei den Jungen, eine sehr kritische
Auseinandersetzung mit den Inhalten aller Parteien im Vorfeld der Wahl.
Insofern ist es ein wesentlicher Punkt, dass wir das auch umsetzen.
Zum zweiten Punkt
des zweiten Antrags: Genauso sollten auch ausländische Staatsbürger bei
gleichen Pflichten gleiche Rechte erhalten, also auch das Wahlrecht in allen
ihren Interessenvertretungen haben, und zwar sowohl aktiv als auch passiv. Das
ist auch ein Punkt, der schon lange eingefordert wird und wo es endlich an der
Zeit ist, das zu tun.
Wenn man hört,
dass die Leute mitunter nicht reif genug dafür seien, so gibt es dazu zwei
Dinge zu sagen: Erstens haben wir in Österreich keine Wahlpflicht, sondern ein Wahlrecht,
das heißt, wenn jemand der Meinung ist, er ist mit 16, 17 noch nicht reif
genug, persönlich diese Entscheidung zu treffen, dann zwingt ihn ja keiner, zur
Wahl zu gehen, denn es ist ein Recht und keine Pflicht. Diejenigen jedoch, die
der Meinung sind, sie können und wollen diese Entscheidung treffen, sollten
auch die Möglichkeit haben, diese Entscheidung zu treffen.
Das ist natürlich
auch eine Frage der Reife. Wenn Sie sagen, Sie hätten kein Land gefunden, in
dem das möglich ist: Vor etwas mehr als 100 Jahren hätten Sie auch kein
Land gefunden, in dem Frauen wählen hätten dürfen. Vielleicht war das damals
auch ein Argument, das in der Diskussion vorgebracht wurde. Aber es hat sich
dann doch gezeigt, dass da ein Land eben einmal vorangegangen ist, und es hat
dann noch bis 1970 gedauert, bis auch die Schweiz in diesem Punkt nachgezogen
hat. Ich weiß nicht, ob wir in dieser Frage Vorreiter sein wollen, ein
Vorreiter in Sachen Demokratie – oder ein Nachzügler. (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer:
Das ist keine Frage der Demokratie!)
Die Frage ist
weniger, ob die 16- und 17-Jährigen reif genug sind, um solche Entscheidungen
zu treffen, sondern ob Sie reif genug sind, ihnen heute bereits
diese Möglichkeit zu geben – oder ob wir noch ein paar Jahre warten
müssen, bis auch Sie das einsehen und bereit sind, in diesem Punkt nachzugeben.
Das wird kommen. Und wenn Sie heute noch nicht reif genug dafür sind – wir
sind es! –, dann werden Sie es vielleicht in ein paar Jahren sein. (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Murauer: Und wie ist es bei der
Briefwahl?)
Zum ersten Antrag:
Zehntausende Jugendliche, noch dazu Volljährige, durften bei der letzten
Nationalratswahl nicht wählen, und zwar deswegen nicht, weil der Stichtag immer
der 1. Jänner des Wahljahres ist. Das ist vor zirka zehn Jahren so
eingeführt worden; das hatte auch mit Administrierbarkeit zu tun. Für mich ist
das allerdings ein Rätsel. Vor zehn Jahren, als die Wählerverzeichnisse noch
auf Karteikarten geführt wurden, war eine Stichtagsregelung möglich, die ihn
zirka 60 Tage vor einer Wahl festlegte. Und jetzt im Zeitalter der EDV kann
das nur noch einmal im Jahr gemacht werden?! – Das ist lächerlich!