Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 15. Sitzung / Seite 7

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Kollege Rasinger von der ÖVP hat in diesem Zusammenhang aber davon gesprochen, dass mit den Selbstbehalten und mit den Belastungen der Patientinnen und Patienten bereits der „Pla­fond erreicht“ sei. – Nun aber stehen wir in einem „Haus“ eines Regierungsprogramms, in dem ich keinen Plafond mehr sehe. Ich will nicht sagen, dass der Blick auf den Himmel freigegeben wurde, das wäre zu schön, aber jedenfalls hat dieses „Haus“ keinen Plafond mehr.

Die Bevölkerung hat – und das ist auch für die Besucher auf der Galerie wichtig, zu wissen – einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Chancengleichheit in Diagnose und Therapie von Krank­heiten, und sie hat diese Chancengleichheit auch im Zusammenhang mit allen Fort­schrit­ten der Medizin, das heißt, einer Medizin auf dem Stand der heutigen Wissenschaft.

Das ist eine zweifellos sehr hoch gelegte Latte. Nun verfügen wir zwar im Parlament über einen Hür­denläufer, aber Stabhochspringer sind in der Bundesregierung selten – und diese Latte be­ginnt daher zu wackeln. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Pausenlos wird von der Regierung die „Unfinanzierbarkeit des Gesundheitssystems“ propagiert, und das wird verknüpft mit dem Damoklesschwert „Leistungseinschränkungen“. – Dass das Leu­te beunruhigt, verängstigt, verunsichert, ist klar, aber: Die Antworten fehlen uns noch!

Mir scheint, man ist sehr geneigt, etwas sehr schnell zum Dogma zu erheben, und ich erachte den Gedanken: „Wer krank ist, ist selber schuld!“ schon als etwas wie ein Dogma, das sich die Re­gierung so lange – perseverierend eben – vorsagt, bis auch jene daran glauben, die vorher Dog­men gegenüber noch sehr kritisch waren.

Dogmen können Wissen nicht ersetzen, auch nicht den Glauben. Sie sind lediglich verführe­risch, sind bequem, weil so Verantwortung delegiert wird – und solche Dogmen ersparen sozu­sa­gen auch eine Auseinandersetzung.

Bei diesem Gedanken an Selbstbehalte – dieses Gefühl habe ich zumindest – beginnt sofort die Assoziation damit, dass das „wunderbare“ Steuerungs- und Lenkungsinstrumente sind, aber auch „wunderbare“ Finanzierungsinstrumente, und da galoppieren Ihre Gedanken offensichtlich nur mehr in eine Richtung. Meinen Informationen nach war diese Erfindung von Selbstbehalten eine der Privatoffenbarungen, die Schüssel überfallen hat, und da habe ich schon den Ein­druck – jetzt bitte nicht böse zu sein! –, dass bei ihm dann alles in eine Richtung galoppiert ist, be­vor er zu denken angefangen, bevor er zu reflektieren begonnen hat, welche Folgen und Aus­wirkungen das hat. – Das kann es aber meiner Überzeugung nach nicht sein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was in einem solchen Fall nämlich zurückbleibt, sind die Kranken, Patientinnen und Patienten, die solchen Dogmen relativ hilflos gegenüberstehen. Und: Allein das Wort „Selbstbehalt“ ist ja schon etwas Infames an sich. Wer behält sich etwas selbst? – Die Kranken behalten sich nichts selbst, sondern sie zahlen etwas!

Zu glauben, dass so Steuerungswirkungen entstehen, dagegen spricht eine Studie, die das Staats­sekretariat Waneck kürzlich in Auftrag gegeben hat. Darin heißt es, dass nur übermäßig hohe, sozial kaum verträgliche Selbstbehalte PatientInnen wirklich davon abhalten könnten, Leis­tungen zu beanspruchen, die sie aber – das sage jetzt ich – wohl zu einem hohen Prozent­satz tatsächlich brauchen. Da frage ich mich schon, wie gesundheitspolitisch wertvoll ist es, wenn man Leute davon abzuhalten versucht, sich in Behandlung zu begeben, wenn sie sich krank fühlen. – Ich finde das jedenfalls nicht gut!

Kranke, an deren Autonomie, also an deren Selbständigkeit und freien Willen sowie an deren Kos­tenbewusstsein man immer stärker glauben will, sind keine „normalen Konsumenten“. Deren Verhalten ist nicht nur nach den Regeln des Marktes zu bewerten, sondern sie müssen sich überlegen – und das ist doch ein Unterschied! –, ob sie zum Arzt/zur Ärztin gehen, sich operie­ren oder einen Zahn ziehen lassen. Wer macht denn das bitte freiwillig?! Das ist doch etwas anderes, als sich einen CD-Player oder eine Kinokarte zu kaufen! Das heißt: Derartiges Marktverhalten ist in diesen Bereich nicht zu übertragen. Die Kranken können nicht wählen.

 


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