Kollege Rasinger
von der ÖVP hat in diesem Zusammenhang aber davon gesprochen, dass mit den
Selbstbehalten und mit den Belastungen der Patientinnen und Patienten bereits
der „Plafond erreicht“ sei. – Nun aber stehen wir in einem „Haus“ eines
Regierungsprogramms, in dem ich keinen Plafond mehr sehe. Ich will nicht sagen,
dass der Blick auf den Himmel freigegeben wurde, das wäre zu schön, aber
jedenfalls hat dieses „Haus“ keinen Plafond mehr.
Die Bevölkerung
hat – und das ist auch für die Besucher auf der Galerie wichtig, zu
wissen – einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Chancengleichheit in
Diagnose und Therapie von Krankheiten, und sie hat diese Chancengleichheit
auch im Zusammenhang mit allen Fortschritten der Medizin, das heißt, einer
Medizin auf dem Stand der heutigen Wissenschaft.
Das ist eine
zweifellos sehr hoch gelegte Latte. Nun verfügen wir zwar im Parlament über
einen Hürdenläufer, aber Stabhochspringer sind in der Bundesregierung
selten – und diese Latte beginnt daher zu wackeln. (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Pausenlos wird von
der Regierung die „Unfinanzierbarkeit des Gesundheitssystems“ propagiert, und
das wird verknüpft mit dem Damoklesschwert „Leistungseinschränkungen“. –
Dass das Leute beunruhigt, verängstigt, verunsichert, ist klar, aber: Die
Antworten fehlen uns noch!
Mir scheint, man
ist sehr geneigt, etwas sehr schnell zum Dogma zu erheben, und ich erachte den
Gedanken: „Wer krank ist, ist selber schuld!“ schon als etwas wie ein Dogma,
das sich die Regierung so lange – perseverierend eben – vorsagt, bis
auch jene daran glauben, die vorher Dogmen gegenüber noch sehr kritisch waren.
Dogmen können
Wissen nicht ersetzen, auch nicht den Glauben. Sie sind lediglich
verführerisch, sind bequem, weil so Verantwortung delegiert wird – und
solche Dogmen ersparen sozusagen auch eine Auseinandersetzung.
Bei diesem
Gedanken an Selbstbehalte – dieses Gefühl habe ich zumindest –
beginnt sofort die Assoziation damit, dass das „wunderbare“ Steuerungs- und
Lenkungsinstrumente sind, aber auch „wunderbare“ Finanzierungsinstrumente, und
da galoppieren Ihre Gedanken offensichtlich nur mehr in eine Richtung. Meinen
Informationen nach war diese Erfindung von Selbstbehalten eine der
Privatoffenbarungen, die Schüssel überfallen hat, und da habe ich schon den Eindruck –
jetzt bitte nicht böse zu sein! –, dass bei ihm dann alles in eine
Richtung galoppiert ist, bevor er zu denken angefangen, bevor er zu
reflektieren begonnen hat, welche Folgen und Auswirkungen das hat. – Das
kann es aber meiner Überzeugung nach nicht sein! (Beifall bei
den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Was in einem
solchen Fall nämlich zurückbleibt, sind die Kranken, Patientinnen und
Patienten, die solchen Dogmen relativ hilflos gegenüberstehen. Und: Allein das
Wort „Selbstbehalt“ ist ja schon etwas Infames an sich. Wer behält
sich etwas selbst? – Die Kranken behalten sich nichts
selbst, sondern sie zahlen etwas!
Zu glauben, dass
so Steuerungswirkungen entstehen, dagegen spricht eine Studie, die das Staatssekretariat
Waneck kürzlich in Auftrag gegeben hat. Darin heißt es, dass nur übermäßig
hohe, sozial kaum verträgliche Selbstbehalte PatientInnen wirklich davon
abhalten könnten, Leistungen zu beanspruchen, die sie aber – das sage
jetzt ich – wohl zu einem hohen Prozentsatz tatsächlich brauchen. Da frage ich mich
schon, wie gesundheitspolitisch wertvoll ist es, wenn man Leute davon
abzuhalten versucht, sich in Behandlung zu begeben, wenn sie sich krank
fühlen. – Ich finde das jedenfalls nicht
gut!
Kranke, an deren
Autonomie, also an deren Selbständigkeit und freien Willen sowie an deren Kostenbewusstsein
man immer stärker glauben will, sind keine „normalen Konsumenten“. Deren
Verhalten ist nicht nur nach den Regeln des Marktes zu bewerten, sondern sie
müssen sich überlegen – und das ist doch ein Unterschied! –, ob sie
zum Arzt/zur Ärztin gehen, sich operieren oder einen Zahn ziehen lassen. Wer
macht denn das bitte freiwillig?!
Das ist doch etwas anderes, als sich einen CD-Player oder eine Kinokarte zu
kaufen! Das heißt: Derartiges Marktverhalten ist in diesen Bereich nicht zu übertragen. Die Kranken
können nicht wählen.