Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 15. Sitzung / Seite 36

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koll von gestern. Das sagte Präsident Dr. Khol zur Rede von Finanzminister Grasser. (De­monstra­tiver Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundeskanzler Dr. Schüssel: Stimmt ja auch, war ja wirklich so! Wirklich wahr! – Abg. Scheibner: Das wird er jetzt nicht sagen!)

Eine „brillante Rede“. Ich sage, brillant vielleicht im Schmähführen. Vielleicht, denn auch zu einem brillanten – oder sagen wir –, zu einem eleganten Schmähführen gehört mindestens eine Voraus­setzung, nämlich dass man den simplen Hausverstand des Ansprechpartners einiger­maßen realistisch einschätzt. Zum Beispiel traut man ihm oder ihr zu, zwei und zwei zu­sam­menzuzählen und anschließend zu entscheiden, ob das + 4 oder – 4 oder null ist, je nachdem, welches Vorzeichen die beiden Zweier haben.

In dieser Hinsicht finde ich die Zumutungen des Finanzministers nicht brillant, sondern gerade­zu beleidigend für Abgeordnete dieses Hauses, Herr Präsident Khol. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Diese Diagnose möchte ich ausgerechnet – leider ausgerechnet – anhand zweier Kernstücke aus der Budgetrede des Finanzministers belegen, nämlich anhand seiner Ausführungen zur so ge­nannten Nettosteuerentlastung und seiner Ausführungen zum angeblichen Schwerpunkt Bil­dung, Wissenschaft und Forschung.

In der vom Finanzministerium herausgegebenen Budgetrede heißt es – leicht gekürzt, ich zitie­re –:

„Diese erste Etappe der Steuerreform wird ... zu einer Nettoentlastung von 500 Mio. Euro füh­ren. ... Das sind substantielle erste Schritte. Die Entlastung kommt! Informieren wir die Bevöl­kerung! Umfassend und gemeinsam! Das sind wichtige Impulse, um die Stimmung zu heben.“

Wie ist jetzt meine Stimmung, anknüpfend an diese Aussage? (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) – Meine Stimmung wird nicht gehoben, wenn ich entdecken muss, selbst entdecken muss durch mehr oder weniger detektivische Recherchen, dass diese Nettoentlastung von 500 Milli­onen € in Wirklichkeit eine Belastung von 200 Millionen € darstellt und von einer Netto­entlastung überhaupt keine Rede sein kann.

Heute habe ich das wieder gehört von, so glaube ich, Herrn Klubobmann Molterer. Gestern kam von Bundeskanzler Schüssel dieselbe Aussage. Davon kann überhaupt keine Rede sein – nicht bei den steuerlichen Maßnahmen und bei den Abgaben insgesamt schon gar nicht! (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Naiv, wie ich bin – nur zwei Sätze zu meinem persönlichen Weg in diesem Labyrinth –, naiv, wie ich bin, schaue ich zuerst in das Budgetbegleitgesetz. Darin gibt es, so muss ich sagen, gute Daten – wenigstens in bestimmten Teilbereichen – über die fiskalischen Auswirkungen. Das war nicht immer so, das kann man einmal positiv hervorheben. Allerdings: Die fiskalischen Maß­nahmen auf der rein steuerlichen Seite – Einkommensteuer, Energieabgaben und so wei­ter – werden in den Erläuterungen im Effekt mit minus 221 Millionen € im Jahre 2004 ange­geben. Und ich Depp, muss ich sagen, ...


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Kollege, ich muss Sie vor sich selber in Schutz neh­men! (Heiterkeit.)


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Danke! – Ich Naivling sage in mei­ner ersten Stellungnahme: Schön, steuerliche Maßnahmen minus 221 Millionen, überkom­pen­siert durch Maßnahmen bei der Krankenversicherung und so weiter. Am Abend schaue ich mir das noch einmal an und traue meinen Augen nicht, zähle die Zahlen noch einmal zusammen: Es sind nicht minus 221 Millionen € bei den Abgaben. Ist Ihnen schon aufgefallen, Herr Kollege Molterer, dass das plus 221 Millionen € allein bei den steuerlichen Maßnahmen sind?

Jetzt bin ich ja gar nicht so brutal wie offenbar das Finanzministerium selbst, das nur das Vor­zeichen vertauscht hat (Heiterkeit bei den Grünen); eine Entlastung von 221 Millionen ist in Wirk­lichkeit eine Belastung von 221 Millionen. Da sage ich, das kann jedem passieren, ist


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