Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 15. Sitzung / Seite 102

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wie ich – ich zähle mich zu diesen Privilegierten – und sich jeden Tag überlegen müs­sen: Wie wird das in Zukunft sein, kann ich mir das leisten, kann ich Diesel-Jeans und Sweater für meine Kinder kaufen? All das ist für mich kein Umstand, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, aber für diese Leute schon, und diese Menschen sind besorgt.

Daher bitte ich Sie, Herr Bundesminister Grasser, dass Sie das, was Sie schreiben und sagen, näm­lich dass das eine sensible Sache sei, auch wirklich so meinen. Sie sind nämlich der Ein­zi­ge in der Bundesregierung, der parteilos ist – und deshalb setze ich auf Sie. Ich habe in den letz­­ten Wochen gelernt, dass man auf die ÖVP – mit einigen Ausnahmen – nicht zählen kann. In der Regierung gibt es überhaupt keine Ausnahmen, aber da hoffe ich noch auf welche. In der frei­­­heitlichen Regierungsmann- und -frauschaft – es gibt auch eine Staatssekretärin – gibt es auch niemanden. Sie, Herr Bundesminister Grasser, sind der Einzige, von dem ich hoffe, dass Sie diese Sensibilität aufbringen und diese irgendwann einmal auch zum Ausdruck bringen wer­den.

Jetzt noch zwei Bemerkungen zum Inhaltlichen: Die eine Bemerkung, Herr Bundesminister Gras­­ser – vielleicht sage ich Ihnen etwas Neues; wenn nicht, betrachten Sie es als Unter­stützung Ihres Wissens –, betrifft die Frage der prekären finanziellen Situation der Israelitischen Kultusgemeinde und des Verbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich.

Heute hat eine Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden stattgefunden, in der er angekündigt hat, sich in der finanziellen Not, in der er sich befindet, nicht mehr anders helfen zu können, als die Arbeit der Kultusgemeinde ab ersten Juni in bestimmten Bereichen einzustellen (Abg. Neudeck: Juli!), weil diese Frage immer noch ungeklärt ist. Es hat wahrscheinlich nichts mit Ihnen persönlich zu tun, aber sehr viel mit dem Herrn Bundeskanzler, dass die Kommunikation zwischen den höchsten kirchlichen Würden­trä­gern – in dem Fall nicht der römisch-katholischen oder der protestantischen Kirche, sondern des österreichischen Judentums – und dem zweithöchsten Repräsentanten dieses Staates, nämlich dem Bundeskanzler, nicht existiert. Null! Da gibt es keinen Kontakt.

Herr Bundesminister, meine Meinung dazu: Ich halte es für einen Affront erster Kategorie, dass das Bitten, das Ersuchen und die Forderung nach Dialog oder Kommunikation zwischen dem höchsten Repräsentanten einer Religionsgemeinschaft – ich rede jetzt nicht von der Last der Geschichte und davon, wie man damit umgeht, sondern schlicht von dieser Tatsache – und dem österreichischen Bundeskanzler keinen Erfolg haben. (Abg. Neudeck: Man muss einmal klä­ren, ob die Kultusgemeinde für die Religionsgemeinschaft spricht!)

Das sind meiner höchstpersönlichen Einschätzung nach die Ursachen dafür, warum so man­ches in der Vergangenheit schief gelaufen ist. Aber davon rede ich jetzt nicht, denn Sie sind für das zukünftige Budget zuständig.

Herr Bundesminister Grasser, es kann doch für Sie kein Problem sein, 2,7 Millionen € jährlich – das war die Summe, die der Präsident des Bundesverbandes der Israelischen Kultusgemeinden heute genannt hat – aus dem Staatsbudget zur Verfügung zu stellen, um jene Leistungen, die die Israelitische Kultusgemeinde braucht und die andere Kirchen in dieser Form nicht haben – Stich­wort Sicherheitsfrage – zu gewährleisten und das Überleben dieser nur rund 6 700 Mitglie­der umfassenden Religionsgemeinschaft zu sichern. (Abg. Neudeck: Aber wo nehmen wir es weg?)

Für diese Gruppe ist es eine Überlebensfrage. – Es war schon einmal eine Überlebensfrage. Das sind Zeiten, die Jahrzehnte zurückliegen. Wir dürfen es nicht zulassen – ich bitte Sie da wirk­lich um Unterstützung – und können es nicht verantworten, in einem Land zu leben, in dem es wieder eine Überlebensfrage für eine jüdische Gemeinde gibt. Wenn es so wäre – ich rede jetzt im Konjunktiv, weil ich immer noch glaube, dass es demnächst eine Lösung geben wird –, dann wäre das eine europäische Schande, und ich möchte mich nicht schämen müssen, Herr Bundesminister! Helfen Sie hier! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.02


 


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