wie ich – ich zähle mich zu diesen Privilegierten – und sich jeden Tag überlegen müssen: Wie wird das in Zukunft sein, kann ich mir das leisten, kann ich Diesel-Jeans und Sweater für meine Kinder kaufen? All das ist für mich kein Umstand, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, aber für diese Leute schon, und diese Menschen sind besorgt.
Daher bitte ich Sie, Herr Bundesminister Grasser, dass Sie das, was Sie schreiben und sagen, nämlich dass das eine sensible Sache sei, auch wirklich so meinen. Sie sind nämlich der Einzige in der Bundesregierung, der parteilos ist – und deshalb setze ich auf Sie. Ich habe in den letzten Wochen gelernt, dass man auf die ÖVP – mit einigen Ausnahmen – nicht zählen kann. In der Regierung gibt es überhaupt keine Ausnahmen, aber da hoffe ich noch auf welche. In der freiheitlichen Regierungsmann- und -frauschaft – es gibt auch eine Staatssekretärin – gibt es auch niemanden. Sie, Herr Bundesminister Grasser, sind der Einzige, von dem ich hoffe, dass Sie diese Sensibilität aufbringen und diese irgendwann einmal auch zum Ausdruck bringen werden.
Jetzt noch zwei Bemerkungen zum Inhaltlichen: Die eine Bemerkung, Herr Bundesminister Grasser – vielleicht sage ich Ihnen etwas Neues; wenn nicht, betrachten Sie es als Unterstützung Ihres Wissens –, betrifft die Frage der prekären finanziellen Situation der Israelitischen Kultusgemeinde und des Verbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich.
Heute hat eine
Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der Israelitischen
Kultusgemeinden stattgefunden, in der er angekündigt hat, sich in der
finanziellen Not, in der er sich befindet, nicht mehr anders helfen zu können,
als die Arbeit der Kultusgemeinde ab ersten Juni in bestimmten Bereichen
einzustellen (Abg. Neudeck: Juli!),
weil diese Frage immer noch ungeklärt ist. Es hat wahrscheinlich nichts mit
Ihnen persönlich zu tun, aber sehr viel mit dem Herrn Bundeskanzler, dass die
Kommunikation zwischen den höchsten kirchlichen Würdenträgern – in dem
Fall nicht der römisch-katholischen oder der protestantischen Kirche, sondern
des österreichischen Judentums – und dem zweithöchsten Repräsentanten
dieses Staates, nämlich dem Bundeskanzler,
nicht existiert. Null! Da gibt es keinen Kontakt.
Herr
Bundesminister, meine Meinung dazu: Ich halte es für einen Affront erster Kategorie, dass das Bitten, das Ersuchen und
die Forderung nach Dialog oder Kommunikation zwischen dem höchsten
Repräsentanten einer Religionsgemeinschaft – ich rede jetzt nicht von der
Last der Geschichte und davon, wie man damit umgeht, sondern schlicht von
dieser Tatsache – und dem österreichischen Bundeskanzler keinen Erfolg haben. (Abg. Neudeck: Man muss einmal klären, ob die Kultusgemeinde für die
Religionsgemeinschaft spricht!)
Das sind meiner
höchstpersönlichen Einschätzung nach die Ursachen dafür, warum so manches in
der Vergangenheit schief gelaufen ist. Aber davon rede ich jetzt nicht, denn
Sie sind für das zukünftige Budget zuständig.
Herr
Bundesminister Grasser, es kann doch für Sie kein Problem sein,
2,7 Millionen € jährlich – das war die Summe, die der Präsident
des Bundesverbandes der Israelischen Kultusgemeinden heute genannt hat –
aus dem Staatsbudget zur Verfügung zu stellen, um jene Leistungen, die die
Israelitische Kultusgemeinde braucht und die andere Kirchen in dieser Form
nicht haben – Stichwort Sicherheitsfrage – zu gewährleisten und das
Überleben dieser nur rund 6 700 Mitglieder umfassenden
Religionsgemeinschaft zu sichern. (Abg. Neudeck:
Aber wo nehmen wir es weg?)
Für diese Gruppe
ist es eine Überlebensfrage. – Es war schon einmal eine Überlebensfrage.
Das sind Zeiten, die Jahrzehnte zurückliegen. Wir dürfen es nicht
zulassen – ich bitte Sie da wirklich um Unterstützung – und können
es nicht verantworten, in einem Land zu leben, in dem es wieder eine
Überlebensfrage für eine jüdische Gemeinde gibt. Wenn es so wäre – ich
rede jetzt im Konjunktiv, weil ich immer noch glaube, dass es demnächst eine
Lösung geben wird –, dann wäre das eine europäische Schande, und ich
möchte mich nicht schämen müssen, Herr Bundesminister! Helfen Sie hier! (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
16.02