Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 18. Sitzung / Seite 163

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Betrieben gestreikt, um gegen die Politik des Bundeskanzlers der Volkspartei, gegen die Politik dieser Regierung aufzutreten.

Ich kann das auch in einem Satz zusammenfassen: Ein Teil des österreichischen Vol­kes protestierte gestern auch gegen die Österreichische Volkspartei. Und das ist ein Novum, das ich erwähnen möchte.

Der Auftritt und die Aussagen des Herrn Bundeskanzlers heute in der Früh hier im Na­tionalrat werfen für mich eine zusätzliche Frage auf, nämlich: Was ist in der letzten Nacht mit dem Herrn Bundeskanzler passiert? – Gestern, als die Streikaktionen aller Gewerkschaften organisiert durchgeführt wurden, ordentlich und friedlich durchgeführt wurden, konnte man beispielsweise eine Aussage des Bundeskanzlers lesen, in der er die Streikmaßnahmen sehr stark kritisiert hat, dem ÖGB mangelnde Verantwortung vorgeworfen hat.

Wörtlich heißt es: „Schüssel kritisierte in diesem Zusammenhang scharf die Funktionä­re des ÖGB, die durch die heutigen Kampfmaßnahmen mangelnde Verantwortung ... gezeigt hätten.“ – Soweit die Aussage von gestern. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Heute hören wir hier als ersten Satz des Herrn Bundeskanzlers: „Gestern haben viele Menschen, Hunderttausende Menschen, wie ich glaube, aus berechtigter Sorge ihre Aktionen gesetzt, und ich respektiere das.“

Ich frage mich: Was ist von gestern auf heute mit dem Herrn Bundeskanzler gesche­hen? Gestern: Verantwortungslosigkeit der Gewerkschaften, heute Respekt für jene, die gestreikt haben. Was führte zu diesem Meinungswechsel? Vielleicht die große An­zahl jener, die sich an diesen Aktionen beteiligt haben? – Ich weiß es nicht.

Ich weiß aber Folgendes: Sehr verehrte Damen und Herren! Wenn eine Million Men­schen für eine Sache eintritt, dann bin ich persönlich froh darüber, von Anfang an an deren Seite gestanden zu haben – und mit mir auch die sozialdemokratischen Abge­ordneten dieses Hauses. Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Auch wir wollen eine Reform, das wurde oftmals bekundet, dokumentiert, in Beschlüssen festgeschrieben. Die Reformziele, die wir for­muliert haben und die in den Diskussionsbeiträgen immer wieder gekommen sind und deutlich gemacht wurden, sind: langfristige Finanzierung unseres Alterssicherungssys­tems, eine Lebensstandardsicherung im Alter und natürlich die Harmonisierung der Systeme unter dem Aspekt der Gerechtigkeit, und der ist mir besonders viel wert.

Ich möchte zu einigen Fakten Stellung beziehen. Erstens: die Entwicklung des Bun­desbeitrages. – Bei den Unselbständigen beträgt der Bundesbeitrag rund 15 Prozent des Pensionsaufwandes – das ist heute schon gesagt worden –, und im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt sinkt dieser Bundesbeitrag. Daher stellt sich die Frage – und die wurde noch nicht beantwortet, vielleicht kann das einer der Nachredner von der Regie­rung oder den Regierungsparteien noch sagen –: Wohin will die Regierung, wohin will diese Koalition zwischen ÖVP und Freiheitlichen mit dem Bundesbeitrag im ASVG-System? Soll er gleich bleiben, soll er sinken? – Die Antwort ist völlig offen.

Ich vermute, Ihr politisches Ziel ist es, den ASVG-Bundesbeitrag auf Null zu senken. Aber es wäre gut, wenn wir auf diese Frage eine Antwort bekämen; vielleicht kann der Herr Wirtschaftsminister dazu Stellung nehmen.

Der Herr Bundeskanzler fordert einen sachlichen Dialog. Im Rahmen dieses sachlichen Dialogs müssen wir aber auch daran denken, dass immer mehr Menschen nicht direkt von der Arbeit in die Pension eintreten, sondern eine Wartezeit in der Arbeitslosigkeit erdulden müssen.

 


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