Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 18. Sitzung / Seite 203

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Auch Minister Strasser hat Ähnliches gesagt: wie notwendig eine Schärfung des Be­wusstseins in der Gegenwart ist, und wie wichtig es ist, dass die Lebenserinnerungen der Überlebenden bewahrt werden. Sowohl Khol als auch Strasser, beides Mitglieder einer ÖVP – daran erinnere ich Sie –, für die in den Verhandlungen, die die ÖVP mit den Grünen geführt hat, das einer der wenigen Punkte war, wo Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, bereit waren, im Lesben-Schwulen-Bereich diesem Antrag zuzu­stimmen und die homosexuellen und asozialen Opfer des Nationalsozialismus endlich anzuerkennen. – Und wo sind Sie von der ÖVP heute? Wo stehen Sie denn da heu­te? – Wieder einen Schritt zurück, nämlich den, den Sie in den letzten 50 Jahren nie weitergekommen sind? Sind Sie wieder dort, wo Sie sich offensichtlich weiterhin auf­halten wollen?!

Ich finde das beschämend, meine Damen und Herren von der ÖVP – und kann nur hoffen, dass Sie im Zuge der Diskussionen im Ausschuss (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter) dann doch noch einen anderen Einstieg und eine andere Position hier ver­treten werden! (Beifall bei den Grünen.)

Es stimmt schon, es haben das schon einige beantragen können, auch wenn sie nicht dezidiert genannt sind. Aber: Worum geht es denn auch bei der Aufarbeitung des Nati­onalsozialismus? – Da geht es darum, dass Menschen, die den Schergen des NS-Regimes zum Opfer gefallen sind, als Opfer anerkannt werden, dass die Welt wahr­nimmt, dass es sie gegeben hat und dass sie darunter gelitten haben! Hunderte, wenn nicht Tausende von Ihnen wurden wurden verfolgt, gefangen gehalten und ermordet! Um die Anerkennung geht es – ebenso für jene, die zwangssterilisiert wurden.

Zu Ihrer Information: Bei jener Feier in Mauthausen stand ich kurz neben einem Bot­schafter eines österreichischen Nachbarlandes, der mich gefragt hat, warum ich beim Einzug sozusagen nicht ganz vorne mitgehe, mit den Prominenten, sondern weiter hinten. – Ich habe geantwortet: Ich gehe bei den Homosexuellen-Initiativen mit. – Da schaut mich dieser Botschafter ganz groß an und fragt: Na warum denn? – Darauf ich: Wissen Sie, in Österreich sind die homosexuellen und auch die asozialen Opfer des NS-Regimes noch nicht vollständig anerkannt! – Daraufhin schaut er mich wieder groß an und sagt: Das gibt’s doch nicht! – Ich musste ihm leider sagen: Das gibt es in die­sem Österreich.

Meine Damen und Herren! Es wäre ein Hohn gegenüber diesen Menschen, von denen nur mehr einige wenige leben, wenn Sie jetzt noch immer nicht bereit wären, sie als Opfer anzuerkennen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich fordere Sie auf, das im Sinne auch des Berichtes der Historikerkommission, die das festhält, endlich zu tun! Wie schon einige meiner Vorredner gesagt haben: Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir diesen Antrag stellen. In der vergangenen Legislaturperi­ode wurde er immer wieder vertagt und blieb dann sozusagen in den Schubladen des Ausschusses liegen.

Einige „Argumente“ waren immer die, dass gesagt wurde: Vor dem Nationalsozialis­mus und nach dem Nationalsozialismus wurden Homosexuelle auch verfolgt, also war das sozusagen Rechtskontinuität – und deswegen sei diese Verfolgung sozusagen nichts Besonderes gewesen.

Ich glaube, dass da verkannt wird, was dieses nationalsozialistische Regime bedeutet hat: Das hat nämlich genau diese Dinge verschärft! Und auch das können Sie im Be­richt der Historikerkommission nachlesen, die eben genau sagt, dass im NS-Staat die Verfolgung der Homosexuellen verschärft wurde, dass dann schon in Deutschland, also noch bevor Österreich den „Anschluß“ durchgemacht hat, im Jahre 1937 etwa, politisch motivierte Prozesse gefolgt sind, in denen Homosexualität als praktischer Ver­folgungsgrund vorgeschoben wurde. In Österreich selbst gab es dann auch, und zwar


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite