Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 210

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handeln, sondern auch 6 neue Gesetze und 85 Abänderungen von bestehenden Ge­setzen. 700 Seiten Do­kumente sind dazu verteilt worden, 120 Seiten Abände­rungs­anträge am vergangenen Donnerstag spätabends, und wir wissen nicht, ob nicht noch weitere Abänderungsanträge in dieser Debatte noch kommen werden.

Wenn hier eine Reform unter dem Titel „Pensionssicherungsgesetz“ beschlossen wird, dann kann man mit Fug und Recht behaupten, dass es sich hier um ein Gesetz han­delt, das viele Menschen und nicht nur eine Generation umfassen wird, und ich gehe nach wie vor davon aus, dass die soziale Alterssicherung zweifellos auch in der Zu­kunft zur allgemeinen staatlichen Aufgabe gehört. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem jene von der ÖVP! Ich bin aber dem Herrn Abgeordneten Ikrath dankbar für seine gestern spätabends gemachte Be­merkung, dass es sich hier um einen Paradigmenwechsel innerhalb der Regierungs­koalition handelt, und ich glaube, dass damit auch klar ist, warum Sie in Ihren Reden, aber auch in Ihren Ansätzen der zweiten und dritten Säule der Pensionsvorsorge so eine besondere Bedeutung beimessen. Haben wir es doch jahrzehntelang damit zu tun gehabt, das Ziel zu erreichen, von Renten zu Pensionen zu kommen, mit denen Würde im Alter auch möglich ist, haben wir uns immer darauf verstanden, dass die Sicherung der Umlagefinanzierung im Vordergrund stehen muss, so habe ich doch das Gefühl, auch auf Grund der gestrigen Wortmeldung, dass hier einer Tendenz der Weltbank gefolgt wird, die davon spricht, dass in Zukunft die Pensionssicherung über kapitalge­deckte Systeme oder über Eigenvorsorge erfolgen soll.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht unsere Zielsetzung, wenn wir von Sicherung der Pensionen sprechen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Die Abgeordneten Scheibner und Mag. Molterer: Unsere auch nicht!)

Es sind nun fast hundert Jahre her, dass es erste Ansätze einer Pensionsversicherung gab: die Angestelltenpension 1906, in den sechziger und siebziger Jahren heftig um­kämpft, als durch den damaligen Vizekanzler und Sozialminister Häuser die Bauern und Selbständigen in das allgemeine Sozialversicherungssystem eingebracht wurden, was bei vielen Unternehmervertretern in den siebziger Jahren zu folgenden Äußerun­gen geführt hat: „Wir sind gegen die Vergesellschaftungstendenzen“, weil man in die Allgemeine Bauern- und Selbständigensozialversicherung einbezogen werden soll. Man sprach sich „gegen die Züchtung parasitärer Gesinnung“ der Unternehmer aus, weil der damalige Sozialminister gemeint hat, es wäre sinnvoll, sie in das gemeinsame Sozialversicherungssystem aufzunehmen.

Heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, höre ich weder von den Bauern noch von den Selbständigen den Ruf, dieses System verlassen zu wollen. Man nimmt gerne die Bundesbeiträge an, die dafür notwendig sind, damit sie überhaupt Pensionen be­kommen.

Wenn wir im Oktober des vergangenen Jahres von der Frau Bundesminister Rauch-Kallat und auch dem Herrn Bundeskanzler gehört haben, es gebe überhaupt keinen dringenden Handlungsbedarf, ja es werde überhaupt nicht daran gedacht, die Früh­pensionen abzuschaffen, dann wurden wir mit Ihrer Regierungserklärung eines Besse­ren belehrt.

Der Ministerentwurf ist ein weiteres Zeichen Ihres Zickzackkurses in der öffentlichen Argumentation, denn hier haben viele Vertreter dieser Bundesregierung erklärt, an den Ecken und Kanten dürfe überhaupt nicht gerüttelt werden, und die Freiheitliche Partei rühmt sich jeden Tag, dass sie diesen Entwurf, den sie selbst eingebracht hat, jeden Tag verändern möchte. (Abg. Scheibner: Das ist Parlamentarismus!) Wir sind ja ge­spannt, was heute letztendlich herauskommen wird. Sie sollten sich in Ihren Parteien


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