Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 107

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arbeitslos bleiben und keine Chance haben, in das System hineinzukommen. Das ist der Punkt, bei dem ich wieder auf das verweise, was Ihnen auch die Wirtschafts­for­scher damals gesagt haben, Herr Bundesminister, was Sie aber immer gegenläufig interpretieren, konträr zu dem, was die Wirtschaftsforscher eigentlich gesagt haben, nämlich: Es wird eine Auswirkung der Anhebung des Pensionsantrittsalters geben, nämlich einen Anstieg von Arbeitslosigkeit, und zwar nicht nur bei den Älteren, sondern auch bei den Jüngeren. Und wir wissen das auch schon aus der Pensionsreform 2000, dass sich das auf die Jüngeren und auf die Älteren sogar ungefähr gleich verteilt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jenseits aller Polemik: Ich habe versucht, dieses Problem schon einmal einzuwerfen. Ich bitte Sie nur, das Problem mitzuneh­men, Sie können es sich anschauen. Die Studie „Education at a Glance“, auf die ich damals verwiesen habe, besagt: Österreich ist bei jenen Jugendlichen, die weder in Beschäftigung noch im Bildungssystem sind, europaweit eines der führenden Länder, und zwar bei den unqualifizierten, männlichen Jugendlichen, um das einzuschränken; was mich irritiert hat, weil ich es eher bei den weiblichen Jugendlichen angenommen hätte. Auch einige österreichische Wirtschaftsforscher weisen darauf hin, dass das in der Vergangenheit das Problem war, und zwar unabhängig davon, wen es trifft, ob männliche oder weibliche Jugendliche. Das ist ein Riesenproblem!

Und dieses Riesenproblem wird noch dadurch verstärkt, dass wir in Österreich über­haupt keine Feldarbeit dazu machen. Es gibt keine Forschung. – Herr Klubobmann Molterer, es ist tatsächlich so. Es gibt niemanden in Österreich, der sich damit aus­einander setzt! Andere Länder halten dieses Thema und dieses Problem für wichtig genug, um genau dieses Problemfeld: Wer ist nicht am Arbeitsmarkt? Wer ist nicht im Bildungssystem?, einmal auszuloten. Diese Menschen, diese Personen gibt es ja!

Und ich kann Ihnen nur sagen: Da ich in den letzten Wochen und Monaten wesentlich sensibler dafür geworden bin, nachdem ich all das gelesen habe und auch einige Ergebnisse aus den Arbeitsmarktstatistiken das unterstreichen, finde ich, man sollte dieses Problemfeld gründlich untersuchen. Es gibt nämlich auch bereits einen Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Akademikern und bei gut ausgebildeten Jugendlichen, und als solche würde ich auch AHS-Maturanten und -Maturantinnen bezeichnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich das ansieht und wenn man dann mit den Menschen redet – hier sitzen ja einige Bürgermeister, die in ihren Ge­mein­den sicher mehr davon mitbekommen –, dann stellt man fest, dass diese Per­sonen überall sichtbar werden! Überall gibt es Jugendliche, egal, ob Lehrlinge oder AHS-Maturanten und -Maturantinnen, die jahrelang versuchen, einen Arbeitsplatz zu finden, aber keinen mehr bekommen. Manchmal werden sie familiär versorgt, man überbrückt diesen Zustand, und dann rutschen sie vielleicht in irgendwelche prekären Jobs oder Ferialpraxen hinein oder machen irgendwelche Auslandsaufenthalte, mit denen sie für Monate oder für ein halbes Jahr – ein Sozialjahr, ein Freiwilligenjahr – die Situation irgendwie überbrücken können, was aber alles keine Lösung darstellt. Sie alle wissen doch genauso gut wie ich, dass diese Jugendlichen, wenn sie einmal ein paar Jahre lang arbeitslos waren, keine Chance mehr haben, einen Job zu finden, der ihrer Qualifikation entspricht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wird es wenig helfen – und damit bin ich schon am Ende –, wenn die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik in Zukunft dazu ver­wen­det werden, um den Jugendlichen im Kreislauf irgendwelcher Orientierungskurse das Gefühl zu geben, man würde sich um sie kümmern. Das ist ein viel zu ernstes Problem!

 


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