Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 24. Sitzung / Seite 162

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Rechtsstaatlichkeit in Österreich. Herr Minister! Wir hatten heuer im Winter Gelegen­heit, uns im kleineren Kreis über die Frage, welchen Änderungsbedarf es im österrei­chischen Asylwesen insgesamt gibt, intensiv zu unterhalten.

Ich habe es nie in Abrede gestellt – auch Sie wissen das, Herr Bundesminister Stras­ser –, dass es in diesem Bereich extrem viel Handlungsbedarf gibt. Wohlgemerkt: Ich sage jetzt Asylwesen. Ich bin heute wie vor Monaten und Jahren der Auffassung, dass das österreichische Asylgesetz, und zwar mit all den Schwächen, die es enthält und die wir auch bei der seinerzeitigen Beschlussfassung, also seit 1991, kritisiert haben, als solches nicht das Problem ist, sondern dass die Problematik im Vollzug liegt. Die wirklichen Probleme zeigen sich etwa bei den Ressourcen und hinsichtlich des Perso­nals, das zur Verfügung gestellt wird, also insgesamt darin, wie mit diesem Gesetz sozusagen öffentlich umgegangen wird.

Herr Bundesminister! Ein großes Problem im österreichischen Asylwesen sind Sie! Ich sage es schlicht und einfach: Ein Problem sind Sie, Ihre Sicht und Ihre Handlungswei­se in Bezug darauf, wie Rechtsstaatlichkeit in Österreich gesehen und interpretiert wird und wie Sie als Ressortchef damit umgehen können!

Wenn es oberstgerichtliche Entscheidungen gibt, wie beispielsweise jene im Zusam­menhang mit der Bundesbetreuung, dann hört man vom politisch Zuständigen, der das umzusetzen hat – und dabei geht es nicht um die Frage, ob er will oder nicht oder ob es ihm passt oder nicht, sondern da sind höchstgerichtliche Entscheidungen umzuset­zen –: Was kümmert mich das? Wir werden schon sehen! Da lassen wir uns Zeit! Wa­rum mischt sich der Oberste Gerichtshof ein? – Das ist genau die Stimmung, die auf­bereitet wird, damit man dann kommen und sagen kann: Jetzt komme ich mit dem Hammer des neuen Asylgesetzes, bei welchem wir uns überhaupt nicht mehr um ver­fassungsrechtliche Grundsätze kümmern müssen – die nicht nur österreichische, son­dern auch europaweit geltende sind, und die Genfer Flüchtlingskonvention steht ja noch über all dem!

Bezüglich der Regierungsvorlage, die vorige Woche noch in allerletzter Minute vor dem Sommer dem Parlament zugeleitet wurde und dem Nationalrat jetzt vorliegt, haben wir uns nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich verständigt. Wir als Oppositionspar­tei – und sicherlich ist auch die SPÖ so vorgegangen – haben gesagt: Wir können nicht beeinflussen, was die Regierungsparteien, welche die Mehrheit haben, auf ihre Priori­tätenliste setzen. Noch immer beschließt jedoch der Nationalrat und nicht die Regie­rung die Gesetze, und deshalb soll es bei so grundlegenden Änderungen intensive Beratungen auch im Nationalrat geben.

Dabei geht es nämlich auch um das Vertrauen in diese Gesetzgebung. Wenn schon Gesetze ins Parlament gebracht werden, bei deren Erarbeitung die NGOs, die kirchli­chen Organisationen und jene, die mit den Flüchtlingen beziehungsweise sozusagen mit den Klienten direkt arbeiten, ganz brutal links liegen gelassen werden (Abg. Dr. Van der Bellen: Rechts!) – rechts liegen gelassen, sagt mein Chef! –, dann wird sich zumindest der Nationalrat eine schlampige, oberflächliche und nicht ins Detail ge­hende Erörterung dieses Gesetzes ganz sicher nicht gefallen lassen, denn das sind wir uns selber schuldig, Herr Bundesminister!

Ich sage jetzt nur ganz kursorisch: Die Punkte sind Ihnen wohl bekannt. Es ist in den letzten Tagen und Wochen viel darüber geschrieben worden. Der UNHCR tritt an alle Abgeordneten, wie auch an Sie in der Vergangenheit und wahrscheinlich auch jetzt noch stündlich, mit der Bitte heran, zu überdenken, was auf dem Tisch liegt. Dabei wird nicht der Vorwurf erhoben, dass alles, was Sie uns präsentieren, sozusagen null und nichtig sein soll. Das habe ich auch nicht getan, weil ich das für unrealistisch halte und weil ich auch den politischen Willen der anderen Seite auf jeden Fall respektiere. Das


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