Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 24. Sitzung / Seite 182

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schreibt nicht vor, dass Verfahren in erster Instanz so fehlerhaft durchgeführt werden, dass es so viel Grund zur Beanstandung und Berufung gibt, dass fast alles in der zwei­ten Instanz oder noch höher landet und sich daher Verfahren über Jahre hinwegzie­hen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kößl: Das ist eine massive Unterstellung den Be­amten gegenüber!) – Nein!

Zur Klarstellung: Das ist ganz dezidiert keine Unterstellung den Beamten gegenüber, sondern das ist eine Kritik daran, dass das Ressort Strasser es bis heute nicht ge­schafft hat, ausreichendes Personal mit ausreichenden Ressourcen auszustatten, um diese Verfahren ordnungsgemäß schon in der ersten Instanz mit entsprechender Be­handlung und Berücksichtigung alles Nötigen durchführen zu können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Minister, ich lade Sie daher dringend ein, nicht am Gesetz herumzudoktern, um es möglichst restriktiv zu machen. Um eine Formulierung von Ihnen zu wählen: Es sollen die Asyl bekommen, die es brauchen – ja! –, aber es sollen nicht Sie – handverlesen nach den Zahlen, die gerade politisch opportun erscheinen – definieren, wer Asyl braucht.

Ein faires und rasches, mit Rechtssicherheit ausgestattetes Verfahren soll ermöglicht werden. Eine Maßnahme ist mir dabei – insbesondere für Frauen – ein Dorn im Auge: das so genannte Neuerungsverbot.

Ich sehe einmal davon ab, dass das Wort „Neuerungsverbot“ an sich über eine Regie­rung, die für sich in Anspruch nimmt, innovativ sein zu wollen, ohnehin einiges aussagt. Herr Minister! Glauben Sie tatsächlich, dass zum Beispiel eine Frau, die Opfer sexuel­ler Gewalt wurde, die vielleicht vor Massenvergewaltigungen in Kriegsgebieten flüchtet, an der Grenze bei der Ersteinvernahme – vermutlich durch lauter männliche Beamte – sofort erzählt, was alles passiert ist? Dieser Frau untersagen Sie über das Neuerungs­verbot, später ihre tatsächlichen Flucht- und Asylgründe anzugeben. (Bundesminister Dr. Strasser: Falsch! – Abg. Miedl: Frau Kollegin! Folter haben wir ausdrücklich aus­genommen!)

Dasselbe gilt für andere traumatische Erfahrungen. Wir können von Folteropfern spre­chen, wir können von verschiedensten Verfolgungsgründen sprechen: Sie gehen da­von aus, dass jemand an der Grenze sofort unsere bürokratischen Schikanen und Pro­zeduren kennt und sofort imstande ist, sämtliche Fluchtgründe ausreichend begründet auf den Tisch zu legen. (Bundesminister Dr. Strasser: Falsch!)

Lassen Sie mich noch ein Thema ansprechen, bei dem Sie ja eigentlich gar nicht die große Sorge haben müssten, dass nun Millionen Menschen Österreich an den Gren­zen bedrängen und hereinwollen, eine Maßnahme, die gar kein Geld kosten würde und die Ihnen in Menschenrechtskreisen und feministischen Kreisen größte Anerkennung bringen würde: Die Genitalverstümmelung von Frauen ist zwar nach dem Strafgesetz­buch in Österreich verboten, aber explizit kein Asylgrund; sie kann in Einzelfällen be­rücksichtigt werden.

Ich fordere Sie auf, das endlich auch per Gesetz als offiziellen Asylgrund festzuschrei­ben und sich nicht immer nur zwischendurch empört darüber zu geben, dass es diese Usance noch immer gibt und Hunderttausende Menschen – vor allem Frauen – in Afri­ka betrifft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Schließlich darf ich Sie auch einladen, der Situation von Jugendlichen im Asylverfahren und im Flüchtlingsstatus gesondertes Augenmerk zu widmen. Sie werden alle – ich berufe mich dabei auf ein anerkanntes Medium – das „profil“ dieser Woche gelesen haben, in dem sehr klar und deutlich der Vorwurf erhoben wird, dass Österreich syste­matisch Straßenkinder produziert.

 


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