Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 26. Sitzung / Seite 7

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Die Verfassung soll ein rechtliches Gehäuse für die Bürger bilden, in dem sie sich wohl fühlen können. Dazu gehört auch eine gestärkte Bürgernähe, die Garantie des Sozial­staates, eine Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes, eine Transparenz der Verwal­tung, eine Abschaffung des Amtsgeheimnisses und eine effiziente Kontrolle.

Mit der Aufgabenanalyse des Staates allein wird es nicht getan sein. Ich bin der Mei­nung, dass an der Spitze dieses Österreich-Konvents eine grundsätzliche Diskussion über Staatsaufgaben und Staatsziele stehen muss. Wünschenswert wäre es, wenn wir Konsens über einen Katalog von Staatszielen erzielen könnten, die letztendlich ein Leitbild für unseren Staat ausmachen sollen.

Wir Sozialdemokraten stellen an diesen Österreich-Konvent einen hohen Anspruch und sind der Meinung, wir sollten uns nicht mit Stückwerk zufrieden geben, sondern sollten von vornherein den Anspruch haben, eine grundsätzliche, weit reichende Re­form unserer Verfassung durchzuführen; und wenn wir den Eindruck haben, man kann sich auf nichts einigen, dann sollten wir uns nicht mit Stückwerk begnügen. Daher ist es ganz wichtig, dass die Konsenskultur in diesem Konvent von vornherein als leiten­des Prinzip im Vordergrund steht.

Wir wollen neue Ideen mit Menschen diskutieren, die bisher abseits der gesetzgeben­den Körperschaften tätig waren, und es soll die Möglichkeit bestehen, vorurteilsfrei auch an ihre Vorschläge heranzugehen. Die Grundvoraussetzung dafür ist auch das Bemühen um Konsens. Es geht darum, dass man andere überzeugt, aber sich auch überzeugen lässt. Nur dann, glaube ich, kann dieser Konvent zu Ergebnissen gelan­gen, die wirklich unseren Ansprüchen Rechnung tragen.

Wir wollen in diesem Konvent grundlegende neue Konzepte für zentrale Bereiche des Staates vorlegen. Es geht um eine aufgabenorientierte Verteilung der Gesetzgebungs­kompetenzen, es geht um eine Reform der Vollziehung mit dem grundlegenden An­spruch einer stärkeren Regionalisierung – was nicht immer eine Föderalisierung be­deuten muss –, und es geht vor allem darum, dass wir ein durchgängiges Zwei-Ebenen-Prinzip einführen. Ich glaube, wir sind uns alle im Klaren darüber, dass wir keine der vier bestehenden Ebenen abschaffen können – weder Gemeinde, noch Be­zirk, Land oder Bund –, aber es wäre schon viel erreicht, wenn für jede Aufgabe in unserem Staat maximal zwei Ebenen zuständig wären. Das würde, so meine ich, zu einer besseren Vollziehung führen.

In diesem Zusammenhang geht es um die Neuordnung auch der so genannten kost­spieligen und teuren Bereiche wie der Sicherheitsregionen, der Bildungsregionen und der Gesundheitsregionen, wo eine stärkere Regionalisierung auch einen Beitrag zur Kostenersparnis leisten kann.

Ich glaube, wir sollten uns auch nicht vor einer Reform des Legalitätsprinzips drücken, damit eine neue Aufgabenteilung zwischen Legislative und Exekutive Platz greifen kann.

Ganz wichtig ist, dass bei diesen Vorstellungen sowohl die Transparenz auf allen Ebe­nen im Vordergrund steht als auch eine Reform des Rechtsschutzes sowohl in der Ge­richtsbarkeit als auch im öffentlichen Recht.

Ganz zentral, wenn Einsparungen auf der Tagesordnung stehen, ist auch eine Reform der Finanzverfassung: Wer anschafft und die Ausgaben bestimmen kann, der soll in Zukunft auch für die Einnahmen sorgen.

Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Konvent eine große Chance. Diese große Chance soll für Österreich ergriffen werden, und das Interesse unseres Landes und der Republik soll in dieser Frage über der Parteipolitik stehen,


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite