Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 53

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Aber in der Sache selbst sind von diesen insgesamt und gleichzeitig stattfindenden Deregulierungsprozessen noch andere Bereiche betroffen, also nicht nur die Frage des Arbeitsrechts und der Möglichkeiten von Angestellten im Handel. Es geht auch um die Nahversorgung an sich. Es geht beispielsweise um die Zunahme von Verkehrsproble­men gerade in Ballungsgebieten. Ich gebe Ihnen schon Recht, Sie werden es auch wieder sagen: All das ist nicht mit der Ladenöffnung und der diesbezüglichen Regelung zu regeln. Ja, völlig richtig, aber wenn rundherum alles in die falsche Richtung galop­piert, dann ist die eine oder andere Barriere immer noch hilfreich, damit nicht noch Schlimmeres passiert.

Das ist ein defensiver Zugang, ich gebe das zu, aber wenn man sich die Politik insge­samt anschaut, dann muss man leider diagnostizieren, dass immer wieder Bündel von Maßnahmen gesetzt werden – mehr oder weniger absichtlich oder auch zufällig –, die unserer Meinung nach nicht in diese Richtung zielen.

Wo ist das Problem beim Verkehrsaufkommen? – Es kann niemandem entgangen sein, dass wir einen Wildwuchs von Einkaufszentren, so würde ich fast sagen, an den Rändern von Ballungsgebieten haben. Dieses Problem ist jetzt nicht alleine über die Frage von Ladenöffnungszeiten zu regeln, aber mit diesen Bestimmungen werden diese Tendenzen, wenn sonst nichts geschieht, verstärkt. Dazu sagen Sie überhaupt nichts.

Anlässlich der Regierungsverhandlungen hat es noch so sinnvolle Gedanken gegeben, wie dass man etwa über Nahverkehrsabgaben oder ähnliche Dinge regelnd eingreifen könnte. Davon war seit damals nirgends mehr die Rede. Und das ist das Problem. Sie erzeugen an einer Stelle Druck und sind nicht bereit, an anderer Stelle entsprechende gegensteuernde Maßnahmen zu ergreifen. Aber das passt in das Bild.

Deregulierung ist ein Wert per se, haben Sie einmal gesagt, Herr Bundesminister! Das ist ein ideologischer Zugang, der Ihnen unbenommen ist, aber wenn die praktischen Auswirkungen Ihrer Politik jene sind, die wir hier beobachten können, dann, muss ich sagen, halte ich das in der Tat für problematisch.

Auf die Tatsache, wie Sie die Debatte in letzter Zeit oder auch im Ausschuss geführt haben, muss ich Ihnen auch allgemein antworten: Deregulierung ist kein Wert per se. Gerade eine marktwirtschaftliche Ordnung braucht dort Regulative, wo der Wettbewerb allein zu Monopolisierung, Konzentrationstendenzen und sonstigen Problemen führt. Das wissen Sie ganz genau. Aber in der täglichen Auseinandersetzung, wenn es dar­um geht, bestimmte Vokabeln zu besetzen, scheuen Sie nicht davor zurück, in diese Richtung zu gehen.

Ich halte das für sehr problematisch, weil nämlich selbst von einem glühenden Markt­wirtschaftler erwartet werden darf, dass er diese Gesetzmäßigkeiten erkennt. Das tun Sie auch, da bin ich mir völlig sicher, aber dann sollten Sie irgendwo wenigstens an­satzweise eine solche Politik betreiben. Auch eine Marktwirtschaft braucht dort Regula­tive, wo der Markt allein zu Dingen führt, die man gesellschaftlich nicht haben will. Diese Konzentrationstendenzen im Handel mit den Verkehrsproblemen kann man in der Form nicht haben wollen. Sie externalisieren hier ständig die Kosten – da kann ich dann leicht von Marktwirtschaft und Privatwirtschaft reden –, die die Allgemeinheit in immer größerem Maße tragen muss, und zwar gerade mit dieser Art von Konzentra­tionspolitik. Ich gebe Ihnen aber Recht, wenn Sie sagen, dass das möglicherweise überhaupt nur peripher mit Ladenöffnungszeiten zu steuern ist. Aber Sie steuern auch sonst an jeder Ecke in die falsche Richtung, und das ist das Problem, das Sie produ­zieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

 


10.59

 


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