Wir alle – nämlich alle Staaten der Europäischen Union, die heute schon Mitglied sind, und jene Länder, die bald beitreten werden – gehen von der gleichen Hoffnung aus, nämlich dass das gleiche Konzept, das in Westeuropa erfolgreich war, nun auch für einen größeren Teil Europas in Richtung Osten, Südosten und Mitteleuropa erfolgreich sein wird. Garantien für einen Erfolg gibt es nie. Es kommt immer darauf an, was aus diesen Chancen tatsächlich gemacht wird.
Wenn die letzten Monate auch dadurch geprägt waren, dass die Europäische Union darüber diskutiert hat, wie man funktionsfähig bleiben kann, wenn 25 oder in Zukunft gar mehr Staaten Mitglied der Europäischen Union sind, und es dabei auch zu Entschlüssen gekommen ist, müssen wir wissen, dass wir uns dabei nicht auf einer gesicherten empirischen Grundlage bewegen, sondern dass die Einigungen, die nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wurden, dazu dienen sollen, die Europäische Union funktionsfähig zu erhalten. Aber auch dafür gibt es keine Garantie. Der politische Wille, diese Erweiterung erfolgreich zu gestalten, kann und darf nicht mit dem 1. Mai des Jahres 2004 enden, sondern die Herausforderungen müssen danach ganz entscheidend bewältigt werden. Dabei gibt es, so meine ich, einige Fragen, die uns sowohl in Österreich ganz besonders interessieren, die aber auch geostrategisch von entscheidender Bedeutung sind.
Mit dieser Erweiterung der Europäischen Union erleben wir zum ersten Mal auch etwas, was vielleicht in vielen der neuen Mitgliedstaaten zu Diskussionen führen wird. Die Europäische Union ist heute eine hoch integrierte Gemeinschaft mit Wirtschaftsunion, mit Währungsunion, mit Binnenmarkt, mit einer Reihe von Wettbewerbsregeln und begleitenden Politiken. All die, die schon bisher Mitglied der Europäischen Union waren, konnten das mitbestimmen und mitgestalten. All die, die jetzt neu dazukommen, steigen natürlich bereits auf einem hohen Entwicklungsstand ein und hatten bei der Gesamtheit dessen, was sich in der Vergangenheit entwickelt hat, keine Mitgestaltungsmöglichkeit.
Jetzt werden wir das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen können und zurückdrehen wollen, aber eine Schlussfolgerung müssen wir in jedem Fall daraus ziehen: Die neuen Mitgliedstaaten müssen merken, und zwar möglichst rasch merken, dass sie an der weiteren Ausgestaltung der Europäischen Union auch ein entsprechendes Mitspracherecht haben. Was heißt das? – Das heißt, dass wir in relativ kurzer Zeit über eine Weiterentwicklung der Europäischen Union nachdenken müssen, damit die neuen Mitgliedstaaten auch mit Recht den Eindruck erhalten, das ist nicht nur ein Haus, in das wir einziehen, sondern das ist ein gemeinsames Ganzes, an dem wir auch tatsächlich mitwirken können. (Beifall bei der SPÖ.)
Ein zweiter Aspekt, der, wie ich meine, wesentlich ist, ist der, den Herr Klubobmann Molterer angesprochen hat, als er sagte, das dürfe keine Erweiterung oder Integration nur der Regierungen sein und darüber hinaus gehend der Eliten, sondern auch der Parlamente und, ich nehme an, auch der Bevölkerungen. Ich glaube, dafür gibt es eine gute Grundlage. Ich finde, die Ergebnisse bei den Volksabstimmungen in den einzelnen Beitrittsstaaten haben doch sehr ermutigende Ausmaße angenommen. Also wenn man in der Vergangenheit Skepsis gehabt hat, ob es zum Beispiel in Polen eine Mehrheit geben wird, auf Grund einer sehr starken, wenn man so will, rechtspopulistischen Opposition gegen die Erweiterung, wenn es auch hinsichtlich der Mehrheiten in anderen Staaten Zweifel gegeben hat, dann, muss ich sagen, hat die Realität gezeigt, dass die Ausmaße der Zustimmung sehr hoch waren, in nahezu allen Staaten bedeutend höher waren als bei den Volksabstimmungen zum Zeitpunkt des Beitrittes Österreichs zur Europäischen Union.
Das ist, glaube ich, ein gutes Zeichen dafür, dass die Bevölkerungen der neuen Mitgliedstaaten sehr wohl erkennen, was die gemeinsame Zielsetzung ist und wohin sie