Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 52

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Ich freue mich, dass alle vier Parlamentsparteien nicht zaudern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.09

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


11.09

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Es ist eine herrliche Gelegenheit, anlässlich des heutigen Tagesordnungspunktes ein wenig über künftige Perspektiven, über die Rolle Österreichs in der Europäischen Union zu diskutieren. Es ist klar, dass es hier keine Politik der Positionslosigkeit oder der Mitte geben kann, sondern es ist die Frage, auf welcher Seite wir bei diesen Entwicklungsprozessen stehen werden.

Eine wesentliche Seite wird die sein, dass wir natürlich nicht dafür eintreten können, dass die Europäische Union irgendwann einmal zu einem losen Zollverein verkommt – wobei ich unterstellen möchte, dass das vielleicht das eine oder andere EU-Mitglied aus einer anderen nationalen Überlegung heraus im Hinterkopf hat –, sondern wir müssen eintreten für einen Vertiefungsprozess, der die Europäische Union institutionell diese Erweiterungsprozesse auch wirklich verkraften lässt.

Es ist ein bisschen widersprüchlich, wie sich das im Moment abspielt, aber es geht möglicherweise in die Richtung, dass sich so etwas wie ein Kern in Europa herausbil­det. Und dieser Kern, der sich auch in der politischen Praxis, in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik anhand des Beispieles des Irak-Kriegs und der Ausein­andersetzung mit den Vereinigten Staaten dargestellt hat, dieser Kern scheint Paris und Berlin, Frankreich und Deutschland zu sein – interessanterweise eine rot-grüne Regierung und eine konservative Regierung.

Da muss sich natürlich Österreich die Frage stellen: Was ist unsere Position, wenn sich so ein Kern herausbildet? Verstehen wir uns jetzt im Widerspruch zu diesem möglichen Prozess, oder verstehen wir uns als Vermittler, als Gesprächspartner oder vielleicht sogar als Teil dieses Kerns? Diese Zusammenarbeit zwischen Paris und Berlin drückt sich ja auch im wirtschaftlichen Bereich aus, wenn jetzt begonnen wird, diesen Stabili­tätspakt etwas zu lockern, um damit einen Spielraum für eine Wirtschaftspolitik zu finden, die sowohl die rot-grüne Regierung in Deutschland als auch die konservative Regierung in Frankreich im Moment – so scheint es mir – zu entwickeln begonnen haben. Es handelt sich hierbei um eine Deficit-spending-Politik, mit der sie glauben, die wirtschaftliche Entwicklung, die Beschäftigung optimaler in den Griff zu bekommen.

Da stellt sich diese Frage, und sie hat sich nicht nur in der konkreten Situation des Irak-Krieges gestellt. Darum habe ich für diese Formulierung der „Politik der Mitte“ über­haupt kein Verständnis gehabt, ich konnte sie gar nicht verstehen: Was war der Defi­nitionshintergrund von „Politik der Mitte“, außer dass sie eine Nichtpositionierung dar­gestellt hat, die von niemandem honoriert werden kann? Diese Formulierung ist auch keine Rollenbeschreibung. So wird Österreich natürlich à la longue kein gefragter Part­ner, kein Ort der Begegnung sein, wie es früher der Fall war, als ein nicht allzu großes, aber durchaus bedeutendes Land wie Österreich diese Rolle wirklich erfüllen konnte.

Genauso betrifft das die Form der Integration, wenn ich an die aktuelle Debatte rund um die Äußerungen Silvio Berlusconis denke, der die Verbindung zwischen konservati­ven und rechtspopulistischen Elementen in seiner Politik umsetzt, was andere konser­vative Parteien nicht zugelassen haben. Da denke ich wieder an die Konservativen in Frankreich und in Deutschland, aber ich könnte auch andere Beispiele bringen, die sich frei gemacht haben von den EU-feindlichen Rändern, die für diese rechtspopulis­tischen Elemente keinen Platz haben – Rot-Grün sowieso nicht.

 


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