Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 71

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Reg­ler. – Bitte.

 


12.18

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herrn Staatssekretäre! Hohes Haus! Es ist für mich eine ganz besondere Freude und Aus­zeichnung, heute zu diesem Tagesordnungspunkt, der mir persönlich immer ein Her­zensanliegen war und auch noch immer ist, sprechen zu dürfen.

Unsere Verfassung sieht natürlich nichts vor, denn das konnte noch nicht vorausgese­hen werden, wie die Vorgangsweise ist, wenn Österreich einem Staatenbund angehört und andere Staaten diesem Staatenbund beitreten, und daher müssen wir nun die ver­fassungsrechtliche Grundlage für den kommenden Abschluss der Beitrittsverträge schaffen.

Was passiert? – Zehn Länder treten diesem großen europäischen Friedensprojekt der Europäischen Union bei, darunter vier unserer Nachbarstaaten, die der ehemaligen Donaumonarchie angehört und damit zu uns gehört hatten. Was das ganz Phantas­tische dabei ist – Bundeskanzler Schüssel betont das immer wieder –, das ist der Um­stand, dass diese Einigung auf freiwilliger Basis geschieht, nicht durch Zwang erfolgt, indem ein Gebiet annektiert wird. Auf freiwilliger Basis schließen sich die europäischen Staaten zusammen.

Eine besondere Freude für mich ist auch, dass die baltischen Staaten dabei sind. Ich kann mich noch gut erinnern: Im Gymnasium habe ich mich immer sehr für Geschichte interessiert, und dabei war mir das Schicksal der drei baltischen Staaten, die durch den Nationalsozialismus dem Sowjetimperium ausgeliefert wurden, ein besonderes Anlie­gen. Ich habe mir oft die Frage gestellt, ob ich es jemals erleben werde, dass diese Staaten wieder frei werden. Daher war es für mich wirklich berührend, zu erleben, dass das Sowjetimperium implodiert ist und diese Staaten die Freiheit bekommen haben.

Ich bin kurz nach der Erlangung der Freiheit durch diese drei baltischen Staaten gereist und habe gesehen, was übrig geblieben ist: aufgelassene Kolchosen mit 50, 100 Trak­toren, die nicht mehr in Betrieb waren; es hat sich niemand mehr darum gekümmert. Die Bauern haben ein Stück Land zur Verfügung gestellt bekommen, und ich habe ge­sehen, wie ein Bauer selbst den Pflug gezogen und sein Sohn ihn geführt hat. Es gab kein Tier mehr, das ihn hätte ziehen können, und es gab keinen Traktor mehr, der in Betrieb genommen werden konnte. – Und diese Staaten haben den Anschluss ge­schafft. Sie sind jetzt wirklich in der Lage, der Europäischen Union beizutreten. Man kann nur sagen: Hut ab vor dieser phantastischen Leistung der Oststaaten, die nach dem Ende der Herrschaft des kommunistischen Regimes jetzt den Anschluss an Europa schaffen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man sollte auch nicht immer vor allem Angst haben. Wenn zum Beispiel gesagt wird, jetzt kommt die totale Verkehrslawine auf uns zu, so möchte ich Folgendes festhalten, meine Damen und Herren: Wir haben ja mit den Beitrittsländern schon seit langem so genannte Europa-Abkommen. Es ist bereits viel für den Freihandel getan worden, die Wirtschaftsbeziehungen sind bereits sehr stark ausgebaut, sodass man nicht sagen kann, jetzt wird eine Transit- oder sonstige Verkehrslawine über uns hereinbrechen. Viel von dem ist bereits geschehen, und da sich das Wirtschaftswachstum in den Bei­trittsländern langsamer entwickelt, als wir angenommen haben, als auch viele Gut­achten am Beginn der neunziger Jahre zum Ausdruck gebracht haben, brauchen wir nicht zu befürchten, dass da so viel passieren wird.

Außerdem werden diese künftigen neuen Mitgliedstaaten auch unsere Umweltstan­dards und Sozialstandards übernehmen. Denken wir nur an die Schadstoffemissions­grenzen für neue Kraftfahrzeuge, denken wir an die Lärmklassen der Luftfahrzeuge,


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