Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 53

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Lassen Sie mich fertig reden, bevor die Emotionen gar zu hoch gehen! Offensichtlich haben Sie diesbezüglich ein ziemlich schlechtes Gewissen, würde ich einmal anmer­ken. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Nein!)

Zur gegenwärtigen Situation eine einzige Zahl: Schon heute gibt es eine Vielzahl an Berufungen. Von diesen Berufungen ist ein Fünftel legitim, das heißt, von fünf Men­schen, die in einem Asylverfahren eine Beschwerde, eine Berufung einlegen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, bekommt einer Recht. Und genau das werden Sie in Zukunft verhindern, und das ist auch das implizite Ziel dieser Novelle: möglichst rasch weg! „Speed kills“ könnte bitterer Ernst für Einzelschicksale werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Das ist nicht wahr!)

Lassen Sie mich ganz kurz auf Ihre „tollen“ Neuerungen eingehen! Traumatische Gründe (Abg. Murauer: Sind ausgeschlossen! Das dürfen Sie schon noch sagen!), bei diesen gibt es kein Neuerungsverbot, allerdings nur dann, wenn der Betroffene am besten gleich mit einem medizinischen Attest kommt.

Ich möchte daher für eine Gruppe von Menschen eine gesonderte Behandlung vor­schlagen, nämlich die Frauen, die derzeit der „blinde Fleck“ dieser Asylgesetz-Novelle sind. Ich darf dazu einen Entschließungsantrag einbringen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: ...! Sie sagen, die Frauen sind genauso betroffen davon – im positiven Sinn!) Wir wollen erreichen, dass Frauen auf Grund geschlechtsspezifischer Verfolgung Asyl bekommen können. Das ist in der heutigen Praxis in den seltensten Fällen der Fall und durch das Gesetz überhaupt nicht geregelt.

Wir schlagen daher vor, dass eigens ein Kriterienkatalog erarbeitet wird, was in Öster­reich als geschlechtsspezifische Verfolgung zu gelten hat. Ich gehe davon aus, dass erstens jedenfalls Genitalverstümmelung, Zwangsehe, Witwenverbrennung oder Ver­gewaltigung dazu gehören müssen und dass zweitens das Verfahren dahin gehend überprüft wird, wie geschlechtsspezifisch agiert wird, ob es Frauen ermöglicht, eine rechtzeitige Geltendmachung von sexueller Verfolgung anerkannt zu bekommen. Die Frage ist, ob im Vollzug des Asylgesetzes, des Bundesbetreuungsgesetzes tatsächlich Frauen und Männer gleiche Chancen und gleiche Möglichkeiten haben. (Abg. Dr. Par­tik-Pablé: Sorgen Sie in diesen Ländern dafür, dass es keine Genitalverstümmelung und Witwenverbrennung gibt! Das ist wichtig!)

Ich würde Sie im Interesse der Frauen, die ja ebenfalls legitime Fluchtgründe auf Grund ihrer spezifischen Situation haben können, ersuchen, diesem Antrag zuzustim­men. In Summe würde ich Sie ersuchen – wenn auch vergeblich, das ist mir vorab schon klar –, der Novelle nicht zuzustimmen, weil sie von vornherein einen geplanten und offenen Verfassungs- und Menschenrechtsbruch darstellt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich halte es für zynisch, wenn ein Minister hier sagt: Mir ist es egal, wenn international anerkannte Organisationen, wenn Verfassungsrechtler Kritik üben und sagen, das sei verfassungswidrig, das sei menschenrechtswidrig, das solle der VfGH prüfen, in zwei, drei Jahren reden wir weiter. Wer weiß, ob ich dann noch Minister bin, ist vielleicht der stille Hintergedanke. – Letzteres wäre vielleicht ein Hoffnungsschimmer, aber nicht für die Menschen in diesen zwei, drei Jahren, die kein Asyl bekommen haben, obwohl sie es verdient hätten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Mein Schlusssatz lautet: Ein Präsident dieses Hauses hat einmal vom „Verfassungs­bogen“ gesprochen. – Ich würde in Anlehnung an dieses Wort vielleicht das Wort „Menschlichkeitsbogen“ verwenden, den Sie, Herr Minister, und auch Sie, meine


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