Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 169

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objektive und dynamische Volksvertretung haben, die sich um die Anliegen der Bevöl­kerung annimmt, die dann, wenn auch nicht sehr häufig, über die parlamentarische Diskussion hier wieder in die Öffentlichkeit kommen. Ich hoffe, dass wir all diese oder einen großen Teil der Begehren der Volksanwaltschaft, wenn es Begehren an den Gesetzgeber sind, auch in die Praxis umsetzen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.21

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

 


19.22

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volks­anwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Meine Damen und Herren! Ich warte jedes Jahr schon immer ganz gespannt auf den Bericht der Volksanwaltschaft, weil der Volksanwaltschaftsbericht das Spiegelbild der Gesellschaft ist. Leute, die mit der Verwaltung nicht zufrieden sind oder die sich durch Gesetze ungerecht behandelt fühlen, gehen zur Volksanwaltschaft, und das mit Recht. Dass wir im letzten Jahr bereits 14 000 Beschwerden hatten, spricht ja eine eigene Sprache. Das sind in der Woche 300 Beschwerden, die bei der Volksanwaltschaft eingehen! Das muss man sich einmal vorstellen: 300 Beschwerden pro Woche! Das zeigt doch ganz deutlich, welche Ungereimtheiten, welche Gesetzeslücken oder welche Ungerechtigkeiten es in unse­ren Gesetzen gibt.

Ich bin sehr froh darüber, dass die Volksanwaltschaft auch immer eine Empfehlung dazu abgibt, was denn geändert werden müsste, um diese Unregelmäßigkeiten, diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Nur, das Ergebnis ist – und das ist leider immer wie­der so –: Man diskutiert den Volksanwaltschaftsbericht und schaut sich die Empfehlun­gen kurz an, aber umgesetzt von diesen Empfehlungen wird im Grunde genommen so gut wie gar nichts. Das sieht man daran, dass jedes Jahr im Grunde genommen immer wieder dieselben Beschwerden eingebracht werden.

Ich möchte aber einen Bereich aus dem Volksanwaltschaftsbericht herausnehmen, der mir natürlich ganz, ganz wichtig ist: den ganzen Bereich zum Thema Menschen mit Behinderungen.

Es wurde heute schon die Situation mit den Invaliditätspensionen kurz angesprochen. Das ist eine brutale Sache! Das ist eine ganz brutale Sache für Menschen mit Behinde­rung, unabhängig davon, ob sie schon gewusst haben, dass sie einen Behinderungs­faktor, ein falsches Gen haben oder ihnen ein Gen fehlt, oder nicht. Es ist ein unheim­liches Risiko für bereits zivilbehinderte Menschen, wenn sie sich in den Arbeitsprozess hineinwagen. Denn wenn heute ein behinderter Mensch in einen Beruf eintritt und nach zehn, 15 Jahren draufkommt, es geht nicht mehr, weil es die Behinderung nicht zu­lässt, dann hat er keinen Anspruch auf eine Invaliditätspension. Das wird damit begrün­det, dass gesagt wird: Er war ja schon behindert, als er zu arbeiten begonnen hat, und eigentlich hätte er gar nie arbeiten dürfen! – Und das ist schon eine brutale Situation, die ich immer wieder erlebe bei Menschen, die 40, 45 Jahre alt und unter Umständen Rollstuhlfahrer sind, bei denen das Kreuz einfach nicht mehr mitspielt, dass man acht Stunden lang im Job sitzen kann.

Diese bekommen dann keine Invaliditätspension, sondern haben unter Umständen die Chance, die Berufsunfähigkeitspension zu erhalten, die aber wesentlich ungünstiger ist als die Invaliditätspension.

Im Grunde genommen wird jeder, der bereits behindert war, als er in den Arbeitspro­zess eingestiegen ist, bestraft, weil er die „Frechheit“ besitzt, arbeiten zu gehen. Wenn


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