Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 40

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

tie für die Bürgerin und den Bürger, sondern Sie haben sich im Wesentlichen darum be­müht, die Regierungen, die Minister gegenüber dem Europäischen Parlament zu stärken.

Da gab es mehrere Anlassfälle: Einer war die Entmachtung des Parlaments, geplant und schriftlich festgehalten von den europäischen Finanzministern im so genannten Tremonti-Papier, und jetzt gibt es wieder ein Papier, in dem es darum geht, die euro­päische Sicherheitspolitik nicht auf eine demokratische Basis zu stellen, sondern ausschließlich den Ministern und den Regierungen zu überantworten. – Und das ist genau die falsche Richtung! Das ist genau das Gegenteil von dem Geist, den eigentlich der Europäische Verfassungskonvent umzusetzen versucht hat, nämlich ein Europa der Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann mir auch nicht vorstellen, was der große Erfolg dabei ist, dass jedes Land einen Kommissar stellt. Ich glaube nicht, dass Demokratie und Mitsprache und Trans­parenz davon abhängen, dass Österreich einen Kommissar entsenden kann. Das ist ein sehr großes Missverständnis! Da geht es vielleicht um eine Position, die die Bun­desregierung besetzen kann, aber inhaltlich, was Mitsprache, Partizipation, Aufwertung der Bürgerin und des Bürgers betrifft, hat das überhaupt keine Bedeutung. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie in diesen Nachverhandlungen, wenn sie schon unbedingt sein mussten, Ihre Kräfte und Ihre Energien sehr viel mehr für die Stärkung der Bürger­In­nenrechte verwendet hätten. (Beifall bei den Grünen.)

Die sicherheitspolitische Frage ist tatsächlich eine Frage, die im Moment nicht wahr­heits­gemäß beantwortet wird. Was mir nicht verständlich ist, ist die unterschiedliche Position bei den Regierungsparteien: Einerseits sagt die Außenministerin, die Bei­stands­verpflichtung, um die wir seit gestern hier streiten, ist nicht das Ende, sondern lediglich eine Modifikation der österreichischen Neutralität. Die FPÖ aber hat gerade erklärt, die Neutralität existiere ja ohnehin nicht mehr. Das steht auch in krassem Wi­derspruch zu dem, was EU-Diplomaten gestern gesagt haben, nämlich dass genau diese Klausel, wie sie gestern vorgelegt worden ist, noch sehr viel strikter formuliert ist als die Beistandsverpflichtung innerhalb des NATO-Bündnisses.

Ich frage mich, was diese „Modifikation“– so bezeichnet von ÖVP-PolitikerInnen – ei­gent­lich bedeutet. Herr Bundeskanzler! Ich würde Sie wirklich dringend bitten: Wenn Sie heute schon von Offenheit und Ehrlichkeit gesprochen haben, dann sprechen Sie auch aus, dass Sie am 12. und 13. Dezember tatsächlich den Schlussstrich unter die österreichische Neutralität setzen werden! Haben Sie den Mut, das auch offen zu diskutieren! Haben Sie auch den Mut, zu sagen: Gut, dann soll die österreichische Be­völkerung auch darüber befinden, und dann machen wir auch eine Volksabstimmung über den Verfassungsvertrag und all die Rechte und Pflichten, die darin verankert sind. (Beifall bei den Grünen.)

Die vermeintlichen Verbesserungen, die Sie jetzt herausverhandelt haben, sind aus mei­ner Sicht sehr vage. Das, was gestern in Neapel passiert ist, beurteile ich wie folgt – und ich fasse nur kurz noch einmal zusammen, was jetzt tatsächlich an In­haltlichem auf dem Tisch liegt –:

Im Grunde gibt es keine demokratische Grundlage für die europäische Sicher­heits­po­litik. Das Europäische Parlament ist weitgehend ausgeschaltet bei diesen essentiellen Fragen. Es gibt keine Abgrenzung zur NATO.

Es bleibt lediglich diese Form eines komplementären Anhängsels. Und die ganze Aus­richtung dieser so genannten Beistandspflicht und dieser Klauseln, die jetzt vorgelegt worden sind, ist eine ausschließlich militärische und viel weniger das, was sich die Öster­reicherinnen und Österreicher gewünscht hätten, nämlich dass man die


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite