Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 65

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Länder, die 50 Jahre lang von der wirtschaftlichen Entwicklung, von Wohlstand, Frei­heit und Frieden ausgesperrt waren, kommen zurück. Österreich ist wohl ein guter Zeitzeuge, weil es sehr nahe an den früheren kommunistischen Diktaturen liegt und die Menschen viel an persönlichen Eindrücken mitgenommen haben.

Ich kann mich daran erinnern, wir hatten Verwandte in den Ostländern. Als Kind war ich mehrfach dort. Ich werde nie vergessen, wie dieser Übergang von einem freien europäischen Land zur Diktatur des Ostens war: diese entwürdigende Prozedur an der Grenze, dieses Durchsuchen des Gepäcks nach Zeitschriften und Büchern. Für uns waren das vollkommen unverständliche Dinge. Dieser Zwangsumtausch des Geldes zu absurden Wechselkursen! Und nie vergessen werde ich den Todesstreifen an der Grenze, der für mich als Kind etwas Furchtbares und Schreckliches war.

Es waren insgesamt schon die Willkür und die Ausgeliefertheit an höhere, andere Mächte sowie das Sich-überhaupt-nicht-dagegen-wehren-Können zu spüren. Ich wer­de nie diese unglaubliche Erleichterung vergessen, die ich verspürte, als ich wieder zu­rück nach Hause gekommen bin, wieder in einem freien, einem westlichen Land zu sein und Dinge zu genießen, die für uns zwar selbstverständlich waren, die es drüben aber nicht gegeben hat: Strom jederzeit, die Heizung hat funktioniert, die Dinge des täglichen Lebens waren vorhanden – all das, was wir wollten, war selbstverständlich.

Das wird schon länger – Gott sei Dank seit 1989! – auch den Erweiterungsländern zu­gestanden, aber sie werden nun Teil von uns. Das ist meiner Meinung nach schlicht und einfach ein Tag der uneingeschränkten Freude. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte hier einen Zeugen zitieren, Professor Andrei Plesu, den früheren ru­mäni­schen Kultur- und Außenminister, der wohl in einem der ärmsten Länder Europas Minister war und der die Festrede zu den heurigen Salzburger Festspielen gehalten und unter das Motto „Freude – Ost und West“ gestellt hat.

Er sagte: „Die europäische Vereinigung wird unter anderem auch eine Vereinigung un­serer Freuden bedeuten, eine Harmonisierung der Erfahrung der Freude im Osten mit der Erfahrung der Freude im Westen. Wir werden lernen, uns über dieselben Dinge zu freuen. Aber vor allem werden wir lernen – Osten wie Westen –, uns aneinander zu freuen. Ich bin aber auch der festen Überzeugung, dass wir eine gemeinsame Grundla­ge haben, um eine Freude wieder aufzubauen, die von beiden Seiten geteilt werden kann. Wir müssen die Europäische Einheit wiederherstellen, die der Zweite Weltkrieg zum Einsturz brachte. Wir müssen ein Haus errichten, in dem wir zusammen leben können. Und der Wiederaufbau – so schwer er auch sein mag – ist eine der größten Freu­den der Menschen.“ – So weit ein Zeitzeuge.

Das, meine ich, ist eine gute Antwort auf die leider melancholische Rede des Herrn Abgeordneten Van der Bellen.

Wir wissen schon, dass nicht alles immer so einfach ist, Herr Kollege – keine Frage! Wir müssen uns auch weiterentwickeln, aber ich denke, Angst und Melancholie haben eigentlich immer noch sehr wenig gebracht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wissen um die Ängste der Menschen, vor allem – es wurde schon angesprochen – auch um die Ängste davor, dass der Arbeitsmarkt aus dem Gleichgewicht gerät, worauf die Bundesregierung auch eine Antwort gefunden hat, nämlich diese sieben Jahre als eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt auszuverhandeln.

Wir kennen die Angst der Menschen vor der steigenden Kriminalität, aber auch da muss man sagen, die Grenze wird weiter in den Osten verlegt, die Schengen-Außen­grenze bleibt. In Wirklichkeit ist die beste Vorbereitung wahrscheinlich eine bessere Zu­sam­menarbeit der polizeilichen Kräfte und natürlich auch ein Wachsen des Wohl­standes, wo dann vieles von dieser Kriminalität gar nicht mehr stattfinden wird.

 


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