Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 72

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man nur so konstatieren: In der Erweiterung hat Österreich keine Führungsrolle inne­gehabt!

Das bedauere ich, und deswegen ist diese EU-Erweiterung mit einem Wermutstropfen verknüpft, und ich musste daher hier leider diese Versäumnisse noch einmal sozu­sa­gen öffentlich machen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Wattaul.)

Natürlich geht es dabei auch und vor allem um ein europäisches Friedensprojekt, das hier heute beschlossen wird, und ich bin froh, dass wir das endlich tun. Auch mir wäre es lieber gewesen, wenn wir die Ersten gewesen wären. Das sind wir leider nicht, aber so ist das halt.

Dieses Friedensprojekt ist eines, das auch zu Folge hat, dass endlich – am 1. Mai 2004 – die Grenzen weiter aufgehen werden – an der March, nördlich des Wald- und Mühlviertels, aber auch am Neusiedlersee, an der Mur, an den Karawanken. Die Men­schen in den Grenzregionen haben mittlerweile schon verstanden und haben gemerkt, dass ihnen die Öffnung dieser Grenzen etwas bringt, dass das für sie auch gut ist, dass sie nicht voller Angst erstarren müssen und hoffen müssen, dass da niemand kommt, sondern dass das die Wirtschaft belebt (Abg. Wattaul: Wie wird das trans­portiert werden, was die Wirtschaft erzeugt?), dass sie ihre Sprachkenntnisse nutzen können – gerade in Südkärnten ist jetzt sozusagen üblich, dass man auch wieder Slo­wenisch redet, und zwar gerne – und dass das im Austausch hilft.

All das sind Gründe, warum es sinnvoll und notwendig und gut ist, dass dieses Frie­densprojekt jetzt endlich stattfindet.

Nun zu den Beneš-Dekreten, Herr Kollege Scheibner und auch Kollege Bösch: Na­türlich sagen auch wir, dass diese Vertreibungsdekrete Unrecht sind. (Abg. Scheibner: Aber die Gesetze sind noch in Kraft!) Das sagt auch der tschechische Minister­präsi­dent Spidla. Das hat er in Göttweig gesagt, und zwar in Anwesenheit von Bun­des­kanzler Schüssel. (Abg. Scheibner: Aber die Gesetze sind noch in Kraft!)

Wissen Sie denn eigentlich, was in Tschechien in den letzten zehn, zwölf Jahren schon passiert ist (Abg. Scheibner: Aber die Gesetze sind noch in Kraft!), was die schon alles tun, um die Meinung in der Gesellschaft zu verändern und um Bewusstseinsarbeit zu machen, um das, was damals passiert ist, aufzuarbeiten? Wir haben vierzig Jahre gebraucht, bis wir endlich angefangen haben. (Abg. Scheibner: Aber die Gesetze sind nicht 40 Jahre in Kraft geblieben!)

Die haben jetzt zehn Jahre Zeit gehabt und tun jetzt einiges dazu. Da gibt es Initiativen der Zivilgesellschaft in Brünn, und es gibt Initiativen von jungen Leuten, die den „To­desmarsch“ aufarbeiten und sagen, was da alles an Grausamkeiten geschehen ist. Das Österreichisch-tschechische Dialogforum tut da sehr viel dazu. Auch Havel und Spidla haben sich ganz klar dazu geäußert und gesagt: Das ist Unrecht!

Was von österreichischer Seite notwendig wäre – und da spreche ich genau das an, was auch Bundeskanzler Schüssel gesagt hat –, das sind gemeinsame Gesten. Eine dieser gemeinsamen Gesten wäre, einen Zukunftsfonds zwischen Österreich und Tschechien einzurichten, wie es ihn zwischen Deutschland und Tschechien seit 1997 gibt. (Abg. Scheibner: Ihr messt mit zweierlei Maß!)

Ich bringe dazu folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Verbesserung der österreichisch-tschechischen Beziehungen im Zuge des


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