Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 250

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„Die gleichstellungsorientierte Regionalentwicklung“, die vom Geographie-Institut und von der Bundesanstalt für Bergbauernfragen gemeinsam erstellt und sozusagen ofen­warm im Juli präsentiert wurde, also gerade richtig für unser Vorhaben. Ich spreche deshalb von unserem Vorhaben, weil wir uns in der Zwischenzeit schon fraktionen­übergreifend mit den Frauen des Landwirtschaftsausschusses abgesprochen hatten. Frau Dipl.-Ing. Achleitner hat Ihren Kollegen Dipl.-Ing. Uwe Scheuch beauftragt, hier als Frau hinzugehen. Er hat das ziemlich tadellos erledigt. – Eigentlich muss man sagen, dass es dann letztlich Herr Wittauer gemacht hat.

Wir haben bei dieser Debatte im Landwirtschaftausschuss doch einige wichtige Dinge klären können. Einigen Mitgliedern war nicht ganz klar, was Gender-Mainstreaming denn nun wirklich bedeutet. Einer hat sogar sein Abstimmungsverhalten davon abhän­gig gemacht, dass ich es ihm schlüssig erkläre.

Nachdem ich es zuerst vorgelesen habe, so wie es in den EU-Richtlinien steht, was zumindest bei diesem Kollegen wieder sehr unverständlich angekommen ist, habe ich es mit einer Geschichte von einer großen Veranstaltung in Indien versucht, der ersten BäuerInnenkonferenz der Welt, bei der auch ein alter Bauer im Gender-Mainstreaming-Workshop war. Wir haben uns gedacht, dass es schwierig werden wird, diesem alten Mann den Begriff „Gender-Mainstreaming“ zu erklären. Er hat uns aber sehr beschämt, und er hat nämlich sofort angefangen, uns die Sache zu erklären. (Abg. Neudeck: Das ist auch nicht schwer!) Er ist mit seiner Frau schon sehr früh übereingekommen, sehr geehrter Herr Kollege, dass Gender-Mainstreaming betont, dass es sich zwischen Männern und Frauen so verhält wie zwischen den Augen im Gesicht. Es ist unmöglich, dass die beiden Augen ungleich sind, dass sie sich auf ungleicher Höhe befinden, weil man dann die Welt nur sehr unscharf wahrnehmen könnte. (Abg. Neudeck: Medi­zinisch stimmt das nicht!) Deswegen ist es sehr sinnvoll, dass Frauen und Männer auf gleicher Ebene agieren und gleiche Rechte haben.

Lassen Sie mich noch ein bisschen etwas zu den verschiedenen Interpretationen aus­führen. Im etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache steht unter Geschlecht, was ja die Übersetzung von Gender ist, noch „Generation, Art und Ursprung“. Erst sehr viel später ist der Begriff „Geschlecht“ im Sinne von Zuordnung zu einem Geschlecht mit sexueller Bedeutung aufgetaucht. Im Englischen ist die Erklärung sehr viel leichter, weil Gender das soziale Geschlecht meint. Das bedeutet auch, dass man durch sein soziales Geschlecht mehr determiniert wird, als man fürs Erste annehmen würde.

In der Studie, die ich bereits zitiert habe, kommt sehr schön zum Ausdruck, dass es verschiedene Positionen beziehungsweise Erklärungsansätze gibt. So gibt es das Erklärungsmuster der Geschlechtergleichheit, das dahin gelangt, zu behaupten, dass die Geschlechterdifferenz nur künstlich erzeugt ist. Viele Anhänger dieser Theorie gehen davon aus, dass Frauen unterstützt werden müssen, damit sie sozusagen Gleichheit mit den Männern erreichen können. – Es gibt aber auch die Position der Ge­schlechterdifferenz, auf der sich interessanterweise die meisten Bürgermeister auf den Dörfern und die Feministinnen treffen. Die sagen nämlich, Frauen und Männer seien tatsächlich unterschiedlich und man könne das nicht hinwegdiskutieren. Sie haben unterschiedliche Eigenschaften, Fähigkeiten und Potentiale, und es ist deswegen auch sinnvoll, sie unterschiedlich zu fördern.

Mir am sympathischsten ist eigentlich die Position der Geschlechtervielfalt, die davon ausgeht, dass dieses binäre Entweder-oder-Denken etwas überholt ist. Ich denke da immer an diesen berühmten Spruch bei uns am Land: „Entweder-oder, Eunuch oder Vota.“ Da gibt es aber noch viele andere Möglichkeiten dazwischen. Diese Vielfalt ernst zu nehmen, würde auch bedeuten, dass sich die Menschen nicht nach ihrem Geschlecht, sondern wirklich nach ihren Fähigkeiten, Fertigkeiten und Talenten ent-


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