Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 41. Sitzung / Seite 203

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Die österreichischen Gesundheitsausgaben erscheinen im internationalen Vergleich vertretbar und weisen in den letzten Jahrzehnten auch bezüglich der Wachstumsraten keine besonderen Auffälligkeiten auf. Die Gesundheitsausgaben steigen in allen wohl­habenden Gesellschaften mit wachsendem Wohlstand überproportional.

Die WHO hat in ihrem World Health Report 2000 eine indexierte Bewertung der Gesundheitssysteme von 191 Ländern vorgenommen. Bewertet wurden Elemente wie Lebenserwartung, Finanzierungsgerechtigkeit, Patientenorientierung und Gesundheits­ausgaben. Nach dieser Bewertung ist Österreich ist auf Platz 9 gereiht.

Die wichtigste Maßzahl ist die Zufriedenheit der Menschen mit dem Gesundheitssys­tem. Eine Befragung der Bürger der EU-Staaten, durch die Europäische Kommission, nach der Zufriedenheit mit der medizinischen Versorgung, ergab folgendes Bild:

35 Prozent der ÖsterreicherInnen sind mit der medizinischen Versorgung sehr zufrie­den und weitere 35 Prozent zufrieden. Mit mehr als 70 Prozent Zustimmung liegen wir hinter Finnland (78 Prozent Zustimmung) an zweiter Stelle.

Der EU-Durchschnitt liegt bei etwa 40 Prozent.

Für die Gesamtsituation im Gesundheitswesen ist die finanzielle Situation der Kranken­kassen entscheidend.

Die Defizite der Krankenkassen bewegten sich in den Jahren 1999 bis 2002 zwischen 150 und 250 Mio. €, also bei jährlich ca. 2,5 % der Einnahmen. Diese Abgänge werden sich aber drastisch verschärfen. Im Jahr 2006 wird trotz der massiven Belastungen durch das Budgetbegleitgesetz 2003 ein Abgang von 1 Mia. € erwartet.

Diese Defizite haben im wesentlichen drei Ursachen: Die Beiträge der Versicherten wachsen langsamer als das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Medikamentenkosten stei­gen sehr schnell und sehr stark und gesetzliche Maßnahmen belasten die Kranken­kassen zusätzlich.

Der Prüfstein für unser Gesundheitssystem ist die Zukunftsfähigkeit. Investitionen in In­novation und Weiterentwicklung des öffentlichen Gesundheitssystems sind die wesent­lichen Herausforderungen.

Für uns gilt der Grundsatz, dass sich eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik nicht damit zufrieden geben darf das Erreichte abzusichern, sondern sie muss sich den neuen Herausforderungen stellen.

Die finanzielle Konsolidierung soll daher nicht über Leistungskürzungen und die gene­relle Erhöhung von Selbstbehalten erfolgen, sondern über Produktivitäts- und Quali­tätssteigerungen und neuen Elementen der transparenten, gerechten Finanzierung.

Selbstbehalte als Finanzierungsinstrument verschieben dem gegenüber die Relationen zu Lasten jener, die Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Kranke Menschen haben konsequenterweise mehr zu zahlen als relativ Gesunde. Nachdem zwischen Einkommen und Gesundheitsrisiko ein eindeutiger Zusammenhang besteht, verlagert eine Politik der Selbstbehalte finanzielle Lasten von den (relativ) Gesunden und Wohl­habenden zu Bevölkerungsschichten mit höherem Krankheitsrisiko und gleichzeitig niedrigerem Einkommen.

Deswegen bewerten gesundheitspolitische Analysen Selbstbehalte als ungeeignetes Instrument, um zu den Zielen Gerechtigkeit und Effizienz beizutragen.

Vor diesem Hintergrund werden Selbstbehalte in erster Linie als politisches Instrument eingesetzt, sie dienen als Symbol für einen liberalen marktorientierten Politikansatz, der individuelle Verantwortung in den Vordergrund stellt.

 


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