Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 45. Sitzung / Seite 54

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

11.17

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Molterer, kommen wir wieder ein bisschen herunter! Wissen Sie, was mir an dem schönen Schild, das Sie hier hatten (Abg. Mag. Molterer: Wollen Sie es wieder haben?), wo es, wenn ich mich richtig erinnere, hieß: weniger Steuern (Ruf bei der ÖVP: Mehr Geld zum Leben!) – danke für die Gedächtnishilfe: weniger Steuern, mehr Geld zum Leben –, nicht gefällt? – Sie suggerieren, dass Steuern etwas Lebensfeindliches sind. Natürlich: Ich zahle auch nicht gern Steuern, Sie zahlen nicht gern Steuern, niemand zahlt gern Steuern, aber ich bekenne mich dazu: Steuern sind notwendig, um bestimmte wichtige, essentielle, zukunftsträchtige öffentliche Aufgaben zu finanzieren. Das muss auch sein. (Beifall bei den Grünen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen ganz offen: Im Bereich der Universitäten, im Bereich von Forschung und Entwicklung, im Bereich des Umbaus des gesamten Bildungswesens, von den Kindergärten bis zur Erwachsenenbildung, haben wir enormen Aufholbedarf – und das wird auch den Staat etwas kosten, nicht nur die Privaten. Und ich finde, Herr Kollege Molterer, es gehört schon auch ein bisschen zur „political leadership“, auch das den Leuten hin und wieder zu sagen (Beifall bei den Grünen): Diese Steuern verschwinden nicht alle in einem schwarzen Loch, sondern werden für Folgendes verwendet.

Und deswegen sind wir, die Grünen, der Meinung, Ihre 2,5 Milliarden sind zu viel. Wir hätten uns ungefähr auf die Hälfte verständigen können bei der Lohn- und Einkommen­steuer und dort die Priorität gesetzt für die unteren und untersten Einkommen, bis etwa zum Medianeinkommen. (Abg. Wittauer: Da werden sich aber die Frauen, die Alleiner­zieherinnen sind, freuen ...!) Das wollen Sie jetzt nicht hören, aber das ist ein ehrliches Programm, das kein Loch im Budget aufreißt, ein Programm, das es möglich macht, dass wir dann, spätestens nach den nächsten Wahlen, nicht wieder die Probleme haben: im Bildungswesen, bei den Kindergärten, bei den Voraussetzungen der Frauen­erwerbstätigkeit. Wenn Sie die Frauenerwerbstätigkeit ernst nehmen, wie Sie heute behauptet haben, dann erhöhen Sie doch bitte nicht den Alleinverdienerabsetzbetrag für Männer. Das ist doch absurd! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Der ist für beide gleich! Der ist geschlechtsneutral!)

Noch etwas geht mir auf den „Keks“, Herr Kollege Molterer: dieser Begriff von den „Leistungsträgern“. Mit diesen „Leistungsträgern“ meinen Sie immer nur Leute jenseits von 50 000-€-Jahreseinkommen, mit dem höchsten Grenzsteuersatz. Na, wen denn sonst?

Ich kenne genug einfache Leute, ohne akademische Ausbildung, ohne Matura, die sich echt schwer tun, trotzdem aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihre Leistung er­bringen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie Prioritäten setzen – klare Prioritäten und nicht ein­fach ein Steuersenkungsprogramm quer über die Wiese.

Wenn Sie eine beschäftigungspolitische Priorität gesetzt hätten, dann hätten Sie sich dem Preis der Arbeit widmen müssen, dann hätten Sie bei den Lohnsummenabgaben absenken müssen, dann hätten Sie sich um die Frauenerwerbsquote kümmern müssen beziehungsweise um die Voraussetzungen dafür, dass Frauen Beruf und Familie, insbesondere Kindererziehung, vereinbaren können, und nicht allein beim Alleinverdienerabsetzbetrag ansetzen dürfen.

Wenn Sie wachstumspolitische Prioritäten gesetzt hätten – nachhaltige, nicht kurz­fristige –, dann hätten Sie nicht übersehen dürfen, dass wir im Bereich der Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Wirtschaft, der Industrie nach wie vor großen Nach­holbedarf haben. (Abg. Mag. Molterer: Wachstumspaket!) – Wachstumspaket. (Abg.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite