Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 98

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vierte unabhängige, an nichts und niemanden gebundene Behörde oder was immer schaffen würde.

Ich glaube, Sie sollten darüber nachdenken und zur Kenntnis nehmen, dass rechts­staatliche Qualität nicht nur aus der Unabhängigkeit der Rechtsprechung besteht, sondern auch aus der politischen und parlamentarischen Kontrollierbarkeit von exeku­tivem Handeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn ein Gendarm oder ein Polizist von sich aus ein Verfahren nicht weiter verfolgt, in dem er ermitteln müsste et cetera, dann ist das ein Amtsmissbrauch, und wir würden das sehr kritisieren. Umgekehrt – ich sage das nicht, um einen Richter zu kritisieren, sondern um die Sensibilität aufzuzeigen – ist es dort, wo Rechtsprechung in direktes exekutives Handeln eingeht. Ich glaube, viele hier sind noch erschüttert von dem Fall, wo man diesen 8-Jährigen mit Gewalt dem Vater entzogen und dann über die Grenze gebracht und wo letzten Endes ein Richter Gewaltanwendung angeordnet hat. Wäre dies im exekutiven Bereich geschehen – also durch einen Polizeijuristen oder durch den Bezirkshauptmann –, ich glaube, der Herr Innenminister hätte sich hier einer Dringlichen Anfrage stellen müssen, in der gefragt wird, wie so etwas möglich ist.

Noch einmal: Das wird nicht als Justizschelte von meiner Seite gebracht, sondern um die Sensibilität der Bereiche und der Abgrenzungen klar aufzuzeigen. Der Rechtsstaat beruht eben auf den zwei Säulen Unabhängigkeit der Justiz auf der einen Seite und Kontrollierbarkeit von Staatsgewalt und exekutivem Handeln auf der anderen Seite.

In diesem Zusammenhang fällt mir aber auch auf, dass Sie überhaupt zur Exekutive im Besonderen und zu Beamten wahrscheinlich im Allgemeinen ein nicht ganz einwand­freies Verhältnis haben. Sie unterstellen zum Beispiel, dass die Polizei automatisch willkürlich handeln würde, wenn sie die Zulassung eines Verteidigers in ganz bestimm­ten Fällen unterbindet. – Das ist natürlich nicht möglich, denn wenn ich auch keine weiteren Ausführungsbestimmungen treffe, ist willkürliches Handeln immer untersagt und unterliegt immer der nachträglichen Kontrolle durch die Höchstgerichte. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, das ist Teil unseres Rechtsstaates!

Um aber in besonders sensiblen Materien – Lauschangriff, Rasterfahndung, Schein­kauf, Überwachungshandlungen – auch eine begleitende Grundrechtskontrolle zu haben, hat sich der Gesetzgeber aus gutem Grund Mitte der neunziger Jahre auf Drängen der SPÖ dazu entschlossen, in der strafgerichtlichen Ermittlungshandlung Rechtschutzbeauftragte einzuführen. Das hat sich bewährt, und daher haben wir das auch im Sicherheitspolizeigesetz und im Militärbefugnisgesetz übernommen. Meine Damen und Herren! Ich verstehe absolut nicht, warum Sie diese Einrichtung nicht so absichern wollen, wie es dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes beim Militär­befugnisgesetz entspricht.

Da geht es nämlich nicht darum, den Rechtsschutzbeauftragten an sich zu kritisieren oder aus seiner Position heben zu wollen, sondern da geht es genau um jene Ge­waltenteilung, die ich Ihnen jetzt darzulegen versucht habe: dass nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs ein Organ der Verwaltung nicht weisungsfrei sein kann, weil dies gegen die politische Kontrollierbarkeit und letzten Endes gegen die Ressort­ver­antwortlichkeit spricht.

Daher gibt es zwei Lösungen, meine Damen und Herren: Die eine – die ich präferiere – wäre, Rechtschutzbeauftragte durch ein eigenes Verfassungsgesetz weisungsfrei zu stellen – ich hoffe noch immer, Sie stimmen dem zu; Sie brauchen deswegen dem Reformwerk, aus welchen Gründen auch immer, nicht zuzustimmen, können aber doch hier zustimmen –; die andere Möglichkeit ist, man positioniert die Recht­schutz­beauf­tragten innerhalb der Verwaltung als Personen, die eben nach Weisung agieren. Mit dieser zweiten Möglichkeit könnte zum Beispiel ich – der im Gegensatz zu vielen an-


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