Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 108

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allfälligen strafrechtlichen Verantwortung ist derzeit nur zum Teil gelöst. Ist ein Ver­halten, das zu einem Schaden führt, eindeutig einer natürlichen Person zurechenbar, so kann selbstverständlich die Strafbarkeit des gesetzten Verhaltens von Staats­anwalt­schaft und Gericht überprüft werden. Anders stellt sich die Situation dar, wenn die inkriminierte Handlung nicht eindeutig zuordenbar ist, etwa in dem Fall, dass eine Herzkreislaufmaschine aufgrund grob fahrlässiger Wartungsmängel ausfällt und der Patient verstirbt. Diesfalls liegt zwar unter Umständen ein Organisationsverschulden der Krankenanstaltsleitung vor. Eine ähnliche Konstellation könnte auch im Fall der „Kaprun“-Katastophe vorliegen.

Viele andere Staaten (Großbritannien, Frankreich, Irland, Niederlande, Belgien, Däne­mark, Schweden, Kanada, Australien, USA, Japan, demnächst die Schweiz und Finnland) sehen in solchen Fällen die Verantwortlichkeit juristischer Personen vor. Auch in etlichen internationalen Beschlüssen wird eine Verantwortlichkeit juristischer Per­sonen vorgesehen, um zu verhindern, dass für ein Fehlverhalten, von dem eine juristische Person profitiert und das sie auch irgendwie begünstigt hat, nur ein ein­zelner Mitarbeiter bestraft werden kann, die „Methode“ aber ungestraft und damit weiterhin wirtschaftlich interessant bleibt. Ein derartiges System würde – unabhängig von der Strafbarkeit eines einzelnen Mitarbeiters – Geldstrafen für Unternehmen er­möglichen, die sich dem Vorwurf aussetzen, z.B. durch ihre leitenden Mitarbeiter, durch mangelhafte Organisation oder mangelhafte Kontrolle ihrer Mitarbeiter straf­rechtliches Unrecht verwirklicht zu haben und davon zu profitieren.

Im Bundesministerium für Justiz besteht bereits seit längerer Zeit eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Neugestaltung des österreichischen Schadenersatzrechts befasst. Gerade die Erfahrungen im Umgang mit Katastrophen wird in dieser Arbeitsgruppe sicherlich auch zu einer Überprüfung der bisherigen Ergebnisse im Lichte der Be­sonderheiten von Unglücksfällen führen müssen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundesminister für Justiz nachstehende

Anfrage:

1. Wie beurteilen Sie die derzeit geltenden Regelungen über die straf- und zivilrecht­liche Verantwortlichkeit für gefährliche Betriebe und Anlagen?

2. Wie weit sind die Arbeiten der Arbeitsgruppe Schadenersatzrecht im Bundesminis­terium für Justiz gediehen?

3. Werden Sie darauf hinwirken, dass in dieser Arbeitsgruppe insbesondere auch die Besonderheiten des Schadenersatzrechts im Katastrophenfall berücksichtigt und die bisherigen Ergebnisse in diesem Lichte überprüft werden?

4. Wie stehen Sie zu der in letzter Zeit häufig gestellten Forderung der Verant­wortlichkeit von juristischen Personen?

5. Wie beurteilen Sie das Verhältnis gerichtliches Strafrecht zu Verwaltungsstrafrecht im Bereich der Verantwortlichkeit juristischer Personen insbesondere im Lichte des Verbots der Doppelbestrafung?

6. Welche Überlegungen gibt es dazu bisher im Bundesministerium für Justiz?

7. Wodurch soll sichergestellt werden, dass es durch eine Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen nicht zu einer reinen Erfolgshaftung kommt?

8. Wie beurteilen Sie die rechtliche Stellung von Patienten und Pflegebedürftigen aus der Sicht Ihres Ressorts?

 


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