Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 110

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Verkettungen, um solche Unfälle und Katastrophen zu vermeiden. Es muss, wie ge­sagt, alles Menschenmögliche getan werden, um solches Leid, um solche Schmerzen zu verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Selbstverständlich muss nach solchen Katastrophen auch nach den strafrechtlich Verantwortlichen gesucht werden. Selbstverständlich muss jemand, der nach dem Strafgesetz verantwortlich war, vor Gericht gestellt werden. Ich kann auch nachemp­finden, dass viele Angehörige nach dem Strafverfahren enttäuscht waren, dass es die Angehörigen der Opfer als unbefriedigend empfunden haben, dass nach dem Straf­recht niemand zur Verantwortung gezogen werden konnte, das heißt, dass am Tod so vieler im Falle von Kaprun niemand persönlich Schuld getragen hat.

Ich sehe, wie gesagt, die Kritik, die an der Justiz geäußert worden ist, auf der einen Seite durchaus ein – es sind ja sogar Zweifel am Rechtsstaat geäußert worden, weil es zu keiner Verurteilung gekommen ist, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, erstens ist noch nicht aller Tage Abend, denn die Instanzenzüge sind ja noch nicht ausgeschöpft worden, und zweitens zeichnet sich der Rechtsstaat ja dadurch aus, dass unabhängige Richter in freier Beweiswürdigung darüber entscheiden, ob Schuld oder Nichtschuld vorliegt. Und das müssen wir zur Kenntnis nehmen!

Ich glaube, es wäre geradezu ein Nicht-Rechtsstaat, wenn Gefälligkeitsurteile nach der persönlichen Befindlichkeit von Richtern oder auch nach ideologischen Gesichts­punkten gefällt würden. Ich bin überzeugt davon, dass die Richter, die hier in Öster­reich urteilen, nur nach objektiven Gesichtspunkten urteilen und sich ihrer Verant­wortung voll bewusst sind. Das möchte ich schon auch einmal festhalten und jenen, die von diesem Urteil enttäuscht sind, sagen. Von Opportunitätsurteilen, von Gefällig­keits­urteilen haben wir nichts, damit würde vielmehr der Rechtsstaat ins Wanken geraten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Korrektiv finden wir im Instanzenweg, im Rechtsmittelverfahren, denn dort können irrige Ansichten revidiert werden, aber nicht durch die Öffentlichkeit, nicht durch die Medien und auch nicht durch die Geschädigten oder sonst jemanden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Internationale Katastrophen zeigen, dass auch in anderen Staaten in manchen Fällen niemand persönlich haftbar gemacht wer­den konnte. 1987 hat es beispielsweise ein Unglück mit einer Kanalfähre zwischen England und Dänemark gegeben. Auch da ist es zu einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung gekommen, es sind aber alle Mitarbeiter freigesprochen worden. Obwohl 193 Menschen den Tod gefunden haben, hat es keinen Schuldspruch im Sinne des Strafrechtes gegeben. Das Verfahren nach dem furchtbaren Zugsunglück bei Eschede, bei dem es Hunderte Tote gegeben hat, wurde ebenfalls eingestellt. Ich möchte das nur in Erinnerung rufen, weil immer wieder die Frage auftaucht, ob da der Richter nicht vielleicht ein falsches Urteil gesprochen hat.

Da es also immer wieder Diskussionen gibt und gegeben hat und die Situation, dass niemand zur Verantwortung gezogen worden ist, unbefriedigend ist, entstanden Bestrebungen, eine Unternehmenshaftung ins Leben zu rufen, sodass auch juristische Personen nach dem Strafrecht verantwortlich sein können. Das ist innerhalb der Europäischen Union bereits sehr weit gediehen. In Österreich gibt es das noch nicht, aber es gibt diesbezüglich Vorarbeiten des Justizministeriums.

Natürlich stellt sich die Frage, was man damit erreichen kann: Man kann in jenen Fällen, in denen es keine persönliche Schuldzuweisung gibt, wo niemand da ist, der persönlich für ein Unglück verantwortlich gemacht werden kann, das Unternehmen heranziehen, das dann auch für ein nicht nachweisbares Verschulden der Mitarbeiter haftet, beispielsweise für Organisationsfehler oder auch, wenn Fehler passieren, die


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