Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 117

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Ereignis in Kaprun, dem Prozess – dem Strafprozess wohlgemerkt –, gab es auch eine intensive Debatte bezüglich der Verantwortlichkeit von Unternehmen.

Dabei hat man in den Medien meistens nicht so genau unterschieden, ob es um die zivilrechtliche Haftung, den Schadenersatz oder die Strafbarkeit geht. Ich möchte da­her diese drei Bereiche getrennt durchleuchten. Wir haben in Österreich nämlich ein sehr dichtes zivilrechtliches Haftungsrecht, eine Verantwortlichkeit für Unternehmen, und eine Reform ist anstehend. Der Herr Minister hat dankenswerterweise eine sehr hochkarätige Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit Lücken oder einem Novellie­rungsbedarf befasst.

Wir haben auch ein sehr intensives Verwaltungsrecht für Unternehmen, das in den unterschiedlichsten Bereichen hohe Strafen vorsieht. Bei uns wird überhaupt unter­nehmerisches Handeln im Verwaltungsrecht abgewickelt. Was wir für Unternehmen nicht haben, ist ein Strafrecht im klassischen Sinne. Strafrecht für Unternehmen gibt es nicht in unserem System. Es ist aber neuerdings in Diskussion.

Wie sieht das nun aus? – Grundlage der Diskussion über Sanktionsmöglichkeiten ge­gen juristische Personen sind diverse internationale Rechtsakte, insbesondere das Zweite Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft. Unstrittig ist, dass Österreich auf Grund dieser zwischen­staatlichen Abkommen auch Sanktionsmöglichkeiten gegen juristische Personen in gewissem Umfang vorsehen muss.

Wozu sind wir nun verpflichtet? – Dazu, bestimmte Deliktsbereiche abzudecken wie beispielsweise Betrug, Bestechung oder Geldwäsche. Wir müssen juristische Perso­nen – also Unternehmen – dann sanktionieren, wenn ihre Führungskräfte Delikte begehen oder wenn mangelnde Überwachung und Kontrolle der Führungskräfte die Deliktsbegehung durch Mitarbeiter ermöglicht haben und die Tat zu Gunsten der juristischen Person begangen wurde. Die Sanktionen müssen sich aber nicht zwangs­läufig im Kriminalstrafrecht wieder finden. Hier macht die EU keinerlei Vorgaben.

Daher kann man zusammenfassen: Sanktionen gegen eine juristische Person sind dann notwendig und sinnvoll, wenn das Delikt zu Gunsten der juristischen Person begangen wurde. Österreich ist in der Wahl der Mittel – ob Verwaltungsrecht, Zivilrecht oder Strafrecht – frei. Die Sanktionen müssen angemessen, wirksam und ab­schreckend ausgestaltet sein und sind nur dann gefordert, wenn eine vollständige ver­antwortliche Tatverwirklichung vorliegt. – Das heißt: keine Sanktion ohne rechts­widrige schuldhafte Tat einer Führungskraft oder eines Mitarbeiters.

Wie gehen wir nun in Umsetzung dieser europäischen Vorgaben vor? – Dazu hat es mehrere wissenschaftliche Untersuchungen und auch Expertisen gegeben. Professor Lewisch und Parker haben beispielsweise untersucht, ob es hier ein Kriminalstrafrecht geben soll, und sie lehnen es dezidiert ab. Die rechtspolitische Frage der Einführung einer Strafbarkeit der juristischen Person im gerichtlichen Strafrecht ist eine inner­staatliche. Aus internationaler Vereinbarung ergibt sich keine Verpflichtung. Im Er­gebnis wird die Einführung einer Strafbarkeit der juristischen Person nicht empfohlen. Es wird auf Verfassungsbedenken hingewiesen und außerdem darauf, dass es alter­native Möglichkeiten im Zivilrecht und im Verwaltungsrecht gibt, die effizienter wären.

Es hat sich dann die Richterwoche mit dem Thema befasst. Dort hat beispielsweise Dr. Marianne Löschnig-Gspandl zum Thema strafrechtliche Haftung juristischer Personen auch kritisch angemerkt, dass das Strafrecht für juristische Personen problematisch sei, weil die Verurteilung eines Unternehmens zu einer Strafe ein dogmatisches Kunststück ist, das unsere Straftatlehre auf die Probe stellt, wenn nicht sogar auf den Kopf. Juristische Personen können gegenwärtig weder Straftaten noch


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